Tanz auf dem Regenbogen
Angelegenheiten stecken und war davon ausgegangen, er wolle einfach eine Weile allein sein. Jetzt gab sie sich die Schuld dafür, ihn gehen gelassen zu haben. Ich sagte ihr, McGovern sei schon früher an ziemlich abseitigen Orten gewesen, einschließlich eines langen Soloaufenthalts in Roratonga. Ich sagte ihr ebenfalls, ich sei mir sicher, er würde sich bald mit uns in Verbindung setzen, obwohl ich mittlerweile ernsthaft daran zweifelte, daß das tatsächlich passieren würde.
Als nächstes rief ich Hoover an und bat ihn, McGoverns Sachen nach dem Flugticket durchzusehen und mich dann zurückzurufen. Hoover hatte nichts Neues von den Bullen gehört. Ich fragte ihn, ob er am Nachmittag mit in die psychiatrische Anstalt kommen wollte. Er lehnte ab, mit der Begründung er würde bereits in der Psychiatrie arbeiten. In diesem Fall hieß sie wie eine der wichtigsten Zeitungen der Hauptstadt. Hoover stimmte zu, uns abends am Strand zu treffen, um uns die Stelle zu zeigen, wo er das Rezeptbuch des großen Mannes gefunden hatte.
»Es gibt hier noch einen Berichterstatter«, sagte Hoover, »der mit dir über die Untersuchung sprechen möchte.«
»Stell ihn durch.«
»Zunächst handelt es sich nicht um einen Mann. Ihr Name ist Carline Ravel und sie sieht echt gut aus.«
»Stell sie durch.«
»Außerdem ist sie nicht hier. Sie macht eine Story auf der großen Insel. Ist es in Ordnung, wenn sie dich im Hotel anruft?«
»Warum nicht? Im Moment scheinen unsere Aktivitäten sowieso im Sand zu verlaufen. Wie sieht sie die Angelegenheit?«
»Ziemlich merkwürdig. Vielleicht sogar ein bißchen unheimlich. Aber ich mußte ihr versprechen, daß sie es dir selbst erzählen kann.«
»Sehr schön«, sagte ich, »niemand außer Stephanie hat mir was erzählt, seit ich hier bin. Und die hat mir erzählt, ich solle ihr einen Liegestuhl bringen.«
»Was du natürlich auch gemacht hast. Ich wette, jeder Mann am Strand war grün vor Neid.«
»Daran gewöhnt man sich.«
Ich zündete mir eine neue Zigarre an, goß mir noch einen Schluck Kona Kaffee nach und blickte über die Stadt und das Meer. Wenn man Kona Kaffee auf das Festland importiert, schmeckt er nie so gut wie auf den Inseln. Sogar der Kaffee, den sie im Denny’s by the Sea, vom Hotel aus nur die Straße runter, servieren, schlägt jede Gourmetröstung um Längen. McGovern war nun schon fast eine Woche vermißt und ich saß hier auf einem luxuriösen Lanai mit Blick auf Stephanie DuPonts roten Badeanzug, aß Sushi mit Stäbchen und dem scharfen grünen Zeug, von dem ich mir nie merken kann, daß es Wasabi heißt, also nenne ich es einfach Yosemite Sam und sie wissen, was ich meine. Genau wie wenn ich ein großes haariges Steak bestelle und nach Gestaposauce frage, weil ich mir Tabasco nicht merken kann, aber sie bringen trotzdem das Richtige. Es interessiert sie nicht, ob man erstickt oder sich beim Masturbieren erhängt, so lange man flüssig ist, bringen sie es, egal was es ist und egal wer sie sind.
Es war irgendwie tragisch, daß das Paradies einfach fortbestand, obwohl McGovern schon eine Woche vermißt war. Vielleicht hatten wir uns alle etwas vorgemacht, und deshalb hatte es auch so lange gedauert, bis wir die Ernsthaftigkeit der Lage begriffen hatten. Mit den Touristen und der Flut verschwand auch die kleine Flamme der Hoffnung und die Antworten waren weggespült worden. Es gab keine Hinweise. Es gab keine Anhaltspunkte, außer vielleicht dem Gratisticket. Es gab keine Lösegeldforderungen.
Als positiv zu werten war allerdings die Stimme von McGovern, die vor drei Tagen am Telefon »MIT!-MIT!-MIT!!« gesagt hatte. Zu diesem Zeitpunkt war McGovern also noch am Leben und in dem Bewußtsein, daß er ein Mann in Not war. Hatte jemand meine Nummer aus ihm herausgepreßt, um mir zu sagen, ich solle locker bleiben, es sei alles in Ordnung, McGovern würde nichts geschehen? Oder hatte McGovern mir etwas ganz anderes mitteilen wollen. Mir wurde klar, daß McGoverns Leben durchaus davon abhängen könnte, wie ich die Nachricht am Telefon interpretierte. Und mit jeder neuen Welle, die an den Strand spülte, wurde die Zeit für Interpretationen knapper.
Ich stellte gerade die Überlegung an, ob ich mich auf Stephanies Liegestuhl zwölf Stockwerke unter mir aufspießen sollte, als John McCall so plötzlich hinter meiner linken Schulter auftauchte, daß ich fast seitwärts vom Lanai gehüpft wäre.
»Schleich dich nie an einen Veteranen ran«, sagte ich und hob meine Zigarre
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