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Tanz auf Glas

Tanz auf Glas

Titel: Tanz auf Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ka Hancock
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hohen Absätzen, in denen sie auf dem Kies nur langsam vorankam. Sobald sie festes Pflaster unter den Füßen hatte, winkte sie uns zu und ging zu Nathan hinüber, der sichtlich gerührt war über ihr Erscheinen. Er umarmte Priss, und seine Schultern bebten, als er das Gesicht in ihrem offenen blonden Haar vergrub. Nathan, Priss und Celia waren zusammen zur Schule gegangen und sehr gut befreundet gewesen. Priss flüsterte ihm etwas ins Ohr und drückte ihn noch einmal an sich. Dann kam sie zu uns herüber und wischte mit dem Zeigefinger Tränen unter ihrer dunklen Sonnenbrille fort. Lily und ich nahmen je eine ihrer Hände. Priss küsste uns und flüsterte mir dann zu: »Du hast mich nicht zurückgerufen.«
    »Entschuldige«, sagte ich und war froh, dass Nathan in diesem Moment das Wort an die Trauergemeinde richtete.
    Zärtlich erzählte er noch einmal vom Tod seiner Frau, und wie schmerzlich es war, so weit fort von ihren Familien zu sein, als es passierte.
    »Ohne sie«, sagte er, »ist es überall einsam, aber sie ist ein Teil von Brinley, und sie hätte sich gewünscht, dass wir hierher zurückkehren.« Er zuckte mit den Schultern. »Dank euch, unseren lieben Freunden, werden wir es überstehen. Danke. Ich danke euch für alles.«
    Der Gedenkgottesdienst war schön, wenn auch ohne einen Hauch der Spiritualität, die ich nach dem Tod meiner Eltern empfunden hatte. Wir waren an sich keine religiöse Familie gewesen, doch der Geistliche hatte seine feste Überzeugung vermittelt, dass es einen Gott gab und dass Er die Welt in der Hand hatte. Allein schon das zu hören, hatte den Verlust für mich irgendwie erträglicher gemacht. Und die Versprechen, die mein Dad mir gegeben hatte.
    Als Nathan fertig war, kamen Jan und Harry herüber, um Priscilla mit einem Kuss auf die Wange zu begrüßen, dann wurde meine Schwester von Trent Rosenberg in Beschlag genommen. Vor vielen Jahren hatten meine Mutter und Priss sich wegen Trent furchtbar gestritten, und ich wusste, dass Mom das jetzt nicht anders sehen würde, wenn sie noch da wäre. Ich ließ die ewigen Spekulationen über die Beziehung der beiden für heute sein und ging den Pfad entlang zu der großen Eiche, die ihre Äste über die Gräber meiner Eltern breitete.
    Nach der Beerdigung meines Vaters hatte die Polizei von Brinley – ganze vier Officers – die Marmorbank mit seinem eingravierten Namen gestiftet. Sie stand im immerwährenden Schatten von Bäumen, die wahrscheinlich jahrhundertealt waren. Ich setzte mich und atmete die kühle Luft ein, die von der Bucht herüberzog. Es war schön hier: Der Himmel war so sommerblau wie der Connecticut River, der keine vier Meter unter mir an sein Ufer plätscherte. Für eine letzte Ruhestätte nicht schlecht. Meine Eltern auf diesem kleinen Hügel am Rand des Friedhofs waren durch einen Kiesweg von den anderen getrennt.
    Ich saß noch nicht lange da, als Charlotte um die Ecke kam. Sie trug ein Kostüm aus kaffeebrauner Seide. Der schwingende Rock flatterte in der Brise, und das lange, graue Haar hing ihr in großzügigen Wellen um die Schultern. Seufzend betrachtete sie den großen Grabstein mit dem Namen meiner Mutter darauf.
    »Ich vermisse sie immer noch, jeden Tag«, sagte sie und setzte sich neben mich.
    Ich nickte. Charlotte und meine Mutter waren praktisch schon Freundinnen gewesen, ehe jemand Freundinnen überhaupt erfunden hatte, wie meine Mom gesagt hätte. Jedenfalls lange vor meiner Geburt.
    »Und, wie fühlst du dich?«, fragte Charlotte.
    »Ganz gut. Danke für gestern. Letzten Endes habe ich genau das getan, was du mir geraten hast. Und es hat ziemlich gut funktioniert, nur dass ich mir jetzt Dinge vorstelle, an die ich wahrscheinlich nicht einmal denken sollte.«
    »Zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel, dass ich nicht verstehe, wie dieses Baby – von dem ich gerade mal seit fünf Minuten weiß – mein Herz so vollständig einnehmen konnte. Wie ist das möglich?«
    Charlotte lächelte. »Hast du es Mickey gesagt?«
    »Noch nicht. Ich warte bis zum Wochenende, wenn er wieder zu Hause ist. Vorerst ist es also mein kleines Geheimnis.« Ich schüttelte den Kopf. »Ich hatte keine Ahnung, dass es sich so anfühlen würde. Ich weiß nicht, was ich machen soll.«
    Charlotte nahm ihre dunkle Brille ab. »Ich weiß von der Entscheidung, die du und Mickey getroffen habt, und ich verstehe euch. Und du hast deinen Teil erfüllt, Lucy. Ich habe keine Ahnung, wie das nach so langer Zeit passieren konnte, aber offenbar

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