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Tanz auf Glas

Tanz auf Glas

Titel: Tanz auf Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ka Hancock
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nicht, dass er keinen großartigen Vater abgeben konnte, oder?
    Ich rieb mir den Kissenbauch, bis ich den Zug pfeifen hörte, der in Brinley zuverlässiger war als jede Küchenuhr. Es war halb elf. Mit einem letzten Blick auf mein schwangeres Spiegelbild zog ich das Kissen unter meinem Kleid hervor und zerrte mich in die Wirklichkeit zurück. Was hatte Charlotte mir geraten? Einfach nur sein. Einfach schwanger sein. Ich fuhr mir noch einmal mit der Bürste durchs Haar und beugte mich zum Spiegel vor. Irgendwie würde schon alles gutgehen. Bestimmt.
    Als ich die Tür abschloss, hielten gerade Ron und Lily vor dem Haus. Ron winkte mir zu.
    »Ihr fußfaules Volk!«, rief ich. »Ihr wohnt doch gleich um die Ecke.«
    Ron zuckte mit den Schultern, und Lily sprang aus dem Auto.
    »Ron fährt schon mal vor«, erklärte sie. »Du musst mir ein Paar Schuhe borgen.« Meine Schwester trug eine weiße Bluse und einen schwarzen Rock und war tatsächlich barfuß. »Darf ich mir diese spitzen roten Pantoletten ausleihen?«
    »In denen läuft es sich aber nicht gut.«
    »Das stimmt nicht. Ich habe sie doch schon einmal getragen.«
    Wir gingen nach oben, und ich wartete auf meinem ungemachten Bett, während Lily in meiner Garderobe herumwühlte. Als sie wieder zum Vorschein kam, trug sie nicht nur meine Schuhe, sondern auch meine Lieblingskette und die Ohrringe, die sie mir zu Weihnachten geschenkt hatte. Sie hob den gerahmten Vertrag vom Bett auf, mit dem ich geschlafen hatte, und sah mich forschend an. »Hast du darüber nachgedacht, eine dieser Regeln zu brechen? Welche, Lucy?«
    Ich überlegte, wann ich Lily von meinem Zustand erzählen sollte –
ob
ich ihr überhaupt etwas sagen sollte. Natürlich musste ich es meiner Schwester sagen, wir stehen uns so nahe, dass es mich beinahe wunderte, warum sie nicht schon Bescheid wusste. Aber das ging natürlich nicht. Nicht, ehe ich es Mickey gesagt hatte. Also blickte ich nur mit einem Schulterzucken zu ihr auf, obwohl ich hätte platzen mögen.
     
    Unser Friedhof, River’s Peace Cemetery, liegt an der Grenze zwischen Brinley und Ivoryton, gut anderthalb Kilometer von meinem Haus entfernt. Es war ein schöner Tag, also gingen Lily und ich zu Fuß. Wir kamen an der prächtigen Tudor-Villa mit dem Bestattungsinstitut der Withers vorbei, und ich entdeckte Lainy Withers, die gerade losfahren wollte. Sie ließ das Seitenfenster herunter und bot uns an, uns mitzunehmen.
    »Wir laufen lieber, Lainy«, sagte Lily, die offensichtlich beweisen wollte, wie gut das in diesen Schuhen ging. »Trotzdem danke.«
    »Dr. Barbee sagt, ich sollte auch mehr laufen!«, rief Lainy. »Aber ich habe keine Lust.«
    Wir lachten, als sie wegfuhr. Earl Withers und sein Sohn Chad waren vermutlich schon auf dem Friedhof, denn sie waren mit der Trauerfeier beauftragt worden. Die Withers betreuten fast alle Beerdigungen im Ort. Sie hatten auch die meiner Eltern arrangiert.
    Ich entdeckte Muriel Piper, die gerade aus ihrem Cadillac stieg. In ihrem Hosenanzug aus elfenbeinfarbenem Leinen und mit geschmackvollem Schmuck war sie eine Studie in uralter Eleganz. Begleitet wurde sie von dem ulkigen Oscar Levine, ihrem Verehrer des aktuellen Vierteljahrhunderts. Oscar hatte sich ebenfalls in Schale geschmissen und seine typische Ascotkrawatte angelegt. Als sie uns sahen, winkten sie uns zu.
    »Was machen die Blumenbeete?«, fragte ich, als wir sie erreichten.
    Muriel lachte. »Meine Knie schaffen das nicht mehr. Ich habe die Story-Zwillinge angeheuert. Die bringen das für mich zu Ende.«
    Ich schüttelte den Kopf, während sie mich kritisch musterte. »Lucy, du siehst in diesem Kleid ganz reizend aus. Den allerwenigsten Frauen steht Schwarz, aber du kannst es wirklich tragen. Und du …« – sie wandte sich Lily zu – »… siehst auch fabelhaft aus. Diese Schuhe gefallen mir zu gut!«
    »Oh, danke, Muriel«, sagte Lily und stupste mich mit dem Ellbogen an.
    Wir folgten den beiden den Friedhofsweg entlang. In der Nähe des provisorischen Podiums stießen wir auf Ron und Nathan, die sich mit Earl Withers unterhielten. Celias Mann wirkte bedrückt und ein wenig emotional, wie er da ein paar Meter neben der Messingurne mit den sterblichen Überresten seiner Frau stand. Als ich ihn umarmte, spürte ich sein Zittern an meinem Hals.
    »Danke, dass du gekommen bist, Lucy.«
    »Aber natürlich«, murmelte ich lahm.
    »Ist Mic auch da?«
    »Nein, tut mir leid. Er ist noch im Edgemont.«
    »Ach ja, richtig«, sagte Nathan.

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