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Tanz auf Glas

Tanz auf Glas

Titel: Tanz auf Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ka Hancock
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Augen schossen, kam meine liebe Schwester zu mir herüber und nahm mich in die Arme. Ich wollte stark sein, ihr zuliebe – dass ich wieder krank wurde, war ihre schlimmste Angst. Doch sie überraschte mich, meine Schwester, die alle Ungewissheit so sehr fürchtet.
    »Ist schon gut, Lu«, raunte sie mir ins Ohr. »Du brauchst heute Abend keine Heldin zu sein. Weine ruhig, lass es raus.«
    Und das tat ich. Ich weinte nicht wegen der grauenhaften Aussicht, eine zweite Runde gegen dieses Ungeheuer antreten zu müssen, oder gegen Mickeys erdrückende Angst, nicht einmal wegen der finsteren Möglichkeit, dass ich sterben könnte – diese Schreckgespenster waren mir nicht fremd. Nein, ich schluchzte wegen des winzigen neuen Lebens, das jetzt durch diesen Verrat meines Körpers bedroht wurde. Ich weinte hemmungslos unter der finsteren Wolke von Charlottes Worten:
An das Baby werden wir vorerst nicht denken.

[home]
    16
    6 . August 2011 (sehr früh am Morgen)
    K ann nicht schlafen. In der Küche wurde mir das ganze Ausmaß der Worte bewusst, die wir nie wieder hatten hören wollen, und ich begann zu zittern. Ich zittere immer noch. Charlotte folgte mir in die Küche und nahm meine beiden Hände in ihre. »Du schaffst das, Mickey.« Das war keine Frage.
    »Ich darf das nicht vermasseln, Charlotte.« Ich sah sie an und hätte sie am liebsten angebettelt, mich zu belügen. Ich brauchte diese Lügen. Ich musste von ihr hören, dass meiner Frau nichts passieren würde. Ich bekam keine Luft mehr. Kopfschüttelnd flüsterte ich: »Ich darf jetzt nicht zusammenbrechen, aber ich fürchte, ich kann nicht anders.«
    »Doch, du kannst«, erwiderte Charlotte streng. Sie nahm mein Gesicht zwischen ihre Hände und zwang mich, sie anzusehen. »Machen wir die Sache nicht schlimmer, als sie ist, Mic. Wir wissen bisher nur, dass weitere Untersuchungen nötig sind. An etwas anderes brauchen wir im Moment nicht zu denken. Tief durchatmen.« Sie nickte. »Ich glaube an dich, Mickey. Ich weiß, dass du Angst hast. Aber Lucy hat noch viel mehr Angst. Also musst du deine vorerst zurückstellen. Mach eine Pause, geh laufen und reiß dich zusammen. Deine Frau braucht dich, für sie musst du stark sein. Verstehst du? Schau mich an. Du musst sie trösten, ihr Fels in der Brandung sein. Sie muss sich bei dir anlehnen können. Wenn sie weint, lässt du sie weinen. Wenn sie schreit, lässt du sie schreien. Du kannst das, Mickey, da bin ich ganz sicher.«
     
    Nachdem Charlotte gegangen war, sagte niemand etwas, und wenn ich nicht so in meinen eigenen Gedanken versunken gewesen wäre, hätte sich das Schweigen wohl unbehaglich angefühlt. Aber ich war so mit mir selbst beschäftigt, dass ich kaum mitbekam, wie Lily mich umarmte und ging.
Warum?
Vor allem dieser Gedanke hallte mir durch den Kopf. Und die flehentliche Hoffnung, dass
es
nicht das war, was es sein könnte. Nicht noch einmal. Die Vorstellung war unerträglich. Ich lehnte mich an Mickey, und er schlang die Arme um mich.
    »Wir schaffen das, Lu«, sagte er ein wenig zittrig.
    »Meinst du?«
    »Ja.«
    »Ich glaube nicht, dass ich es noch einmal durchstehe«, krächzte ich. »Ich kann nicht noch einmal so krank sein. Ich kann nicht.«
    Mickey sagte nichts, und ich wusste, dass er dasselbe dachte.
    Ich holte tief Luft und rückte ein wenig von ihm ab. »Es tut mir leid, dass ich dir nichts gesagt habe. Ehrlich, wenn Charlotte nicht davon ausgegangen wäre, dass es nichts Ernstes ist, hätte ich es dir erzählt. Aber ich hätte es dir trotzdem sagen müssen.«
    »Bin ich wirklich so ein kranker Schwächling, Lu, dass du mir das nicht zumuten konntest?«
    »Das war nicht der Grund. Ehrlich nicht.«
    »Was denn dann?«
    »Ich wollte unser Glücksgefühl nicht gefährden«, erklärte ich mit belegter Stimme.
    Mickeys Blick wurde weich. »Wir stecken zusammen da drin, Lucy. Du musstest dich dieser Sache stellen, und ich hätte für dich da sein sollen. Du musst mir vertrauen.«
    »Ich weiß, Schatz. Es tut mir leid.«
    Wir saßen noch einen Moment lang schweigend beisammen, dann stand Mickey auf. »Kommst du zurecht, wenn ich eine Runde laufen gehe, Lu? Ich will einen klaren Kopf bekommen.«
    Ich nickte.
    »Bist du sicher?«
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte ich. Ich war nicht unglücklich darüber, dass er rauswollte. Dann wäre ich allein mit meinen Gedanken. Nicht mit seinen oder Lilys, nicht einmal mit Charlottes Gedanken. Nur mit meiner eigenen inneren Stimme. Doch als Mickey ging und die

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