Tanz auf Glas
Miene, dass alles gut werden würde. Und in meiner Fantasie konnte ich ihm sogar glauben.
Ich blickte mich in dem kalten, kahlen Raum um. Die hochnäsige junge Frau von der Anmeldung hatte früh am Morgen angerufen und diesen Termin verkündet, in demselben leicht entrüsteten Tonfall, mit dem sie mich vor ein paar Tagen begrüßt hatte.
»Bitte seien Sie auf jeden Fall pünktlich, Mrs Chandler«, ermahnte sie mich. »Wir schieben Sie wieder dazwischen, obwohl der Tag schon voll ist.« Mickey und ich saßen jetzt seit fast fünfundvierzig Minuten in diesem außerordentlich unpersönlichen Sprechzimmer, und mein Mann strahlte eine solche Anspannung aus, dass ich beinahe aus der Haut gefahren wäre.
Endlich ging die Tür auf, und der Arzt platzte herein, den Blick auf meine Krankenakte gesenkt. »Mrs Chandler, wie geht es Ihnen heute?«
Ich konnte nur stumm nicken, und Dr. Matthews sah mich leicht zerknirscht an. Dann hielt er Mickey die Hand hin. »Sie müssen Mr Chandler sein.« Der Arzt war rundlich und kahlköpfig, doch es gelang ihm trotzdem, in seinem edlen weißen Hemd und der Bundfaltenhose eine gewisse Großspurigkeit zu verbreiten. Der forsche Duft seines Aftershaves war ihm in den Raum gefolgt und sammelte sich um ihn, als er hinter dem Schreibtisch Platz nahm. Mit einer kleinen, randlosen Brille auf der Nasenspitze überflog er meine Krankenakte.
Dann blickte er zu mir auf. »Wenn ich mich nicht verrechnet habe, sind Sie in der neunzehnten Woche. Stimmt das?«
Ich nickte.
»In diesem Stadium der Schwangerschaft stellt eine Vollnarkose ein geringfügiges Risiko für den Fötus dar, aber wir werden Sie sehr sorgfältig überwachen und tun, was wir können, um das Ungeborene nicht zu gefährden. Ich weiß, wie schwer das für Sie ist, Mrs Chandler.«
Er reichte mir ein Formular. Ich überflog es und stellte fest, dass es ihn von jeglicher Verantwortung entband, falls doch etwas passieren sollte. Ich schluckte. »Können Sie das nicht unter lokaler Betäubung machen?«
»Ich weiß nicht, was ich vorfinden werde, und ich will in meinen Möglichkeiten nicht beschränkt sein, falls ich auf etwas Unerwartetes stoße. Ich werde die genaue Größe und Ausbreitung des Problems chirurgisch evaluieren, und ich rechne damit, dass die Operation ziemlich kompliziert wird.« Er schüttelte den Kopf. »Unter diesen Umständen wäre mir nicht wohl dabei, durch eine Lokalanästhesie eingeschränkt zu sein.«
»Unterschreib es einfach, Lucy«, sagte Mickey barsch und entschuldigte sich sofort für seinen Tonfall.
Er stellte ein paar Fragen, und ich hörte zu, wie Roland Matthews die meisten beantwortete, aber ich konnte seinen Worten nicht folgen. Ich erinnere mich daran, dass Mickey mich küsste und ich mich am liebsten an ihm festgeklammert und ihn angefleht hätte, mich sofort wieder nach Hause zu bringen. Ich weiß noch, dass er mich zu beruhigen versuchte, aber seine Stimme zu sehr zitterte, als dass es gewirkt hätte. Ich wurde in ein anderes Zimmer gebracht, wo ich mich auszog und in ein OP -Hemd schlüpfte. Eine Schwester, die kaum älter als zwölf sein konnte, kam herein und nahm mir drei Röhrchen Blut ab, und dann kam jemand anderes und hängte mich an eine Infusion. Mir war kalt, und als ich gesichert auf einem Rollbett lag, deckte mich wieder jemand anderes mit einer warmen Decke zu, aber ich glaube nicht, dass dieser Jemand mit mir sprach. Dann wurde ich in einen Operationssaal geschoben, wo ich meinen Bauch rieb, bis ich das Bewusstsein verlor.
Meinem Bauch galt auch mein erster Gedanke, als ich aus dem Nebel emportauchte, aber meine Hand war zu schwer, ich konnte sie nicht heben, um danach zu tasten. Eine vertraute, freundliche Frauenstimme brachte mich dem wachen Bewusstsein noch näher. Es war die Krankenschwester, die mich bei meinem letzten Besuch hier mit Saft und Crackern versorgt hatte.
»Mein Baby?«, stieß ich mühsam hervor.
»Wir haben den Herzschlag während der gesamten Operation überwacht. Soweit wir sehen konnten, geht es dem Baby gut.« Sie hielt mir ein Schälchen mit dünnen Scheiben Eis hin. Ich sah sie an und drängte sie mit meinem Blick, mehr zu sagen.
Was ist mit mir? Sieht bei mir auch alles so weit gut aus?
Sie wandte sich ab, und eine furchtbare Schwere sank auf mich nieder, als sie etwas in meinen Venenkatheter spritzte.
Irgendwann später wachte ich allein in einem hübschen Zimmer auf. Ich war noch benommen von den Medikamenten, aber ich konnte den Kopf in
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