Tanz der Aranaea (German Edition)
ist der Befehlshaber über eine technische Truppe. Seine Männer sorgen dafür, dass die Verkehrswege und Gleise benutzbar bleiben.« Ein junger Soldat auf Krücken und mit einen amputierten Bein, mischte sich in das allgemeine Palaver ein und gab mir diese Auskunft.
Die Sache hier schien mir allmählich über den Kopf zu wachsen. Ich dachte, das es Zeit wird für mich wird, dieses tapfere Völkchen zu verlassen, zum Leidwesen der unzähligen Menschen hier im Großen Garten in Dresden, die allesamt zusehen müssen wie sie irgendwann die rettende Eisenbahn im Hauptbahnhof erreichen. Ich verabschiedete mich von ihnen mit dem Hinweis, dass ich General Hampe und seine Männer suchen müsse. Kurz darauf war ich auch schon in diesem Menschengewühl verschwunden. Ein Chaos und ein Durcheinander wie ich es noch nie zuvor erlebte. Bevor ich mich aber aus dem Staub machen konnte, kam eine gutmütig wirkende dicke Frau aus Oberschlesien zu mir, und bat mich für einen etwa zehnjährigen Jungen zu sorgen, da sie gehört habe ich sei als Rotkreuzbeauftragter unterwegs, und wie sie wüsste, habe der Junge habe vor einer Woche seine Eltern bei der Flucht vor den Russen verloren. Rudolf Harrer, der Junge, war sofort bereit sich mir anzuschließen, und gemeinsam tauchten wir in eine Menschenmasse hinein, in der wir hin und her gestoßen wurden. Man schob sich Gegenseitig und stolperte, fiel übereinander, und rappelte sich fluchend und schimpfend wieder auf. Alle hatten das gleiche Schicksal, alle wollten nach Westen und so viele Kilometer wie möglich zwischen sich und der nahenden Front bringen. Unterwegs nahm ich aus meiner Brusttasche einen verknitterten Lageplan der Stadt Dresden hervor. Niemand beachtete uns und in einer Masse von einer Million auf der Flucht befindlichen Menschen war jeder für sich ein eigener Kosmos. Rudolf Harrer und ich verließen den Großen Garten. Ich suchte die Gleisfelder auf meiner Karte und plante den Hauptbahnhof weiträumig umgehen zu wollen. Von Dresden-Friedrichstadt aus, wollte ich den Gleisen in westlicher Richtung folgen. Meine erste Etappe sollte Weimar sein, dann Würzburg, Memmingen, Bregenz und dann St. Gallen in der Schweiz.
Es war bereits Nachmittag und die Wolkendecke, die mir heute Morgen in der Mustang-Maschine noch schier undurchdringlich erschien, öffnete sich weit auf. Unübersehbar waren die endlosen Schlangen der Treckfahrzeuge und der Flüchtlinge, die sich durch die Straßen schoben. Den Hauptbahnhof wollte ich wie geplant, weiträumig umgehen doch von Routenplanung konnte in diesem Gewimmel aus Leibern, keine Rede sein.
Wir standen ungewollt mitten auf dem Bahnhofsvorplatz. Die Menschenmenge schob und drückte uns an diesen Ort. Ich hoffte und betete insgeheim, dass die Royal Air Force und die US Airforce nicht ihre Bomberflotten mit ihrer todbringenden Last, just in diesem Moment auf diesen hoffnungslos überfüllten Bahnhof abluden. Wenn das passierte, konnte man nur für ein schnelles sterben beten. Hätte ich es den Leuten hier sagen sollen, dass etwa 1200 Maschinen voll getankt und mit Brand- und Sprengbomben bestückt auf ihren Einsatzbefehl warteten? Ich wusste ja selbst nicht genau welche Stadt in Schutt und Asche gelegt werden sollte und wem hätte ich es auch sagen sollen? Aus Gesprächen mit Leuten im Großen Garten wusste ich, dass die Stadtverwaltung den Befehl herausgegeben hat, dass kein Flüchtling länger als drei Tage in Dresden bleiben durfte. Kein Mensch konnte sich aber daran halten, ein schneller Weitertransport dieser Massen war gar nicht möglich.
Eine Evakuierung schon zehnmal nicht. Das Vorankommen wurde immer schwieriger. Vor einer Stunde haben wir das Bahnhofgelände verlassen und waren gerade einmal fünfhundert Meter weit gekommen. Wir marschierten gegen die eingeschlagene Richtung der Menschenmasse, die unbedingt eine Eisenbahn nach dem Westen erreichen wollte und diese Masse befand sich gegenüber uns in der absoluten Mehrheit. Es wurde auch für mich immer schwieriger, denn ich hatte inzwischen für fünf elternlose Kinder, einschließlich des Jungen, zu sorgen. Krampfhaft hielten sie sich an den Händen fest und mein Junge, Rudolf Harrer, bildete das Bindeglied zu mir, indem er sich an meinem Gürtel festkrallte. Ich fühlte mich wie einst der Rattenfänger von Hameln. Drei Mädchen im Alter zwischen acht und zehn Jahre, sowie ein fünfjähriger Junge, haben sich wie von einem Sog gezogen an uns angeschlossen.
Allesamt waren sie
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