Tanz der Aranaea (German Edition)
Blindflug jagen wir wieder hinauf in das Wolkenband, als die Maschine plötzlich ins Schlingern geriet und eine Seitenrolle drehte.
»Yankee, was ist los? Fliege nicht so verrückt, mein Mageninhalt klebt schon am Fenster.« Ich schrie laut und klopfte wie wild auf seinen Pilotenstuhl. Mich überkam eine fürchterliche Panik.
»Die Maschine spinnt, Vancelli. Ich kann sie nicht mehr halten!« Als Bestätigung seiner Worte fing der Motor an zu knallen, so wie bei Fehlzündungen, und Sharper forderte mich auf zum Aussteigen. Zu meiner Überraschung sprach er dabei in deutscher Sprache und verzichtet auf das beleidigende "Alpenjodler".
»Wir müssen raus Vancelli. Du zuerst, dann ich. Ich lege gleich die Maschine in Rückfluglage, dann machst du deine Kanzel auf und lässt dich rausfallen. OK?«
»OK, Sharper!«
»Machs gut Vancelli, und halte dich von Dresden fern!«
Ich ließ mich kopfüber aus der Maschine fallen, mitten hinein in diese Wolkensuppe. Sharper war nicht mehr zu sehen und ich konnte nicht erkennen, ob er ebenfalls die Maschine verlassen hat. Vielleicht konnte er noch eine Notlandung fabrizieren. Mich verließ jetzt auch meine Kamera, die mit einem Lederband um meinen Hals hing und die unsere Abwärtsbewegung alleine durchführen wollte. Ist auch besser so, dachte ich, wenn mich die Deutschen mit einer Kamera erwischen, gibt es mit Sicherheit ordentliche Probleme. Mein Fallschirm öffnete sich planmäßig und ich hatte einige Minuten Zeit um meine Lage zu überdenken. Zum Glück trug ich keine britische Uniform, sondern nur eine dick gefütterte kurze Lederjacke und warme Hose, die in Schnürstiefel steckte. Meinen Schweizer Pass, der seltsamerweise wieder in den Archiven der Briten ausfindig gemacht wurde, hatte ich auch dabei.
Ich war wieder Francesco Maria Vancelli und nicht mehr der idiotische Johnny Walker, und ich war in Mitteldeutschland, nur noch wenige hundert Meter über Dresden.
Das Wolkenband lichtete sich und ich konnte mich schon auf einen Landeplatz einstellen. Mitten hinein in einen Park und mitten hinein in eine große Menschenmenge. Zunächst sah ich absolut nichts, denn mein Fallschirm legte sich wie eine riesige Decke über mich.
»Ei, verbbisch, wo kommst du denn her mein Gutschter?«, fragte mich ein alter Mann, der auf seiner Flucht vor den Russen wohl Rasierzeug und Zahnputzmittel verloren haben musste. Gleichzeitig wurde ich von vielen Augen, die mich aus mindesten sechzig Zentimeter Höhe herab beglotzen, neugierig bemustert.
»Ich komme vom Schweizer Roten Kreuz und soll hier in Dresden die Organisation einer geordneten Flucht der Flüchtlinge übernehmen.«
Ein allgemeines Lachen ertönte und es freute mich, dass diese Menschen, nachdem sie schon soviel Leid und Kummer erfahren haben, noch immer lachen konnten und einen gewissen Humor sich bewahrt haben.
»Jungelchen«, sagte der Alte, der sich zum Sprecher dieser Gemeinde erkoren hat und in die ich mitten hinein gesprungen bin, »hier sind mindestens eine Million Menschen auf der Flucht vor den Russen, viel Vergnügen bei deiner Fluchthilfe.«
Eine Frau aus dem Rheinland meinte, dass ich wieder zurück in die Schweiz laufen sollte, hier müsse jeder für sich selbst sorgen. Als ich sie fragte, was Rheinländer hier in Dresden zu suchen hätte, entgegnete sie, dass viele Frauen mit ihren Kinder von Köln in das Hinterland verlegt wurden, um den Bombenangriffen der Alliierten zu entgehen.
Als Gegenleistung hätten sie jetzt bald die Russen an der Wäsche hängen. Einige Frauen aus Ostpreußen meinten, dass man als Frau bei den Russen nur eine Chance hat, wenn man sich zuvor eine Blechunterhose anzieht, diese müsse aber verlötet und vernietet sein.
»Wo bin ich hier Leute?«, fragte ich.
»Im Großen Garten, hier ist es noch nicht so eng wie in der Altstadt und am Hauptbahnhof. Wie heißen sie eigentlich, junger Mann?«
»>Ich heiße Franz Wankel, mein Herr. Ich bin aus Genf!«
Ich entblödete mich nicht und verhunze spontan meinen Namen Francesco Vancelli. Nichts gegen mein neues Alias, aber ich bin doch lieber Francesco Maria Vancelli.
»Sie können sich um die Waisenkinder kümmern, Herr Wankel. Im Übrigen, dürfen wir den Stoff ihres Fallschirmes behalten? Da lässt sich einiges daraus machen oder müssen Sie ihn bei der Kommandantur abgeben?«
»Den können sie behalten junge Frau, macht euch etwas Hübsches daraus. Wo wohnt denn der Herr Kommandant?«
»Der Kommandant ist General Erich Hampe und er
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