Tanz der Aranaea (German Edition)

von einer räuberischen Tuaregbande überfallen, aber ich glaube, Wodaabe hat dir diese Geschichte schon erzählt, da habe ich mit ihr die ganze Nacht vor diesem Bild gesessen, so wie wir es jetzt tun. Von da an hatte sie keine Angst mehr vor mir und wir wurden wie zwei gute Schwestern zueinander. Ich war nie verheiratet, Francesco. Meine Ansprüche sind bis zum heutigen Tag vielleicht etwas zu hoch angesiedelt. Als sechzehnjähriges Mädchen habe ich die Geschichte von Cheliff und Chelia gehört und war davon so fasziniert, dass ich mein ganzes Leben von einem Mann wie Cheliff geträumt habe. Nicht, das es keine Männer in meinem Leben gegeben hätte, nein, um Gottes Willen! Dafür liebe ich euere Gattung zu sehr, warum auch immer, es bleibt mir ein Rätsel, aber es ist nun einmal so. Jedenfalls war bei allen diesen Zweibeinern, kein Cheliff dabei. Als du am Montag, auf recht seltsame Weise in meine Küche gestürmt kamst, da fühlte ich, dass du Cheliff sein könntest. Eine innere Stimme sagte mir, dieser Mann ist wie Cheliff!«
    »Ich habe bei dir Wurstsalat und Flammkuchen bestellt, Marie-Claire. Das würde Cheliff nie tun!«
    »Halt den Mund du Filou, und verhunze mir nicht alles. Ich weiß, dass du nicht Cheliff bist, sonst würdest du auch vorbehaltlos bei mir bleiben.«
    »Sei nicht so böse, Liebes. Ich bin eben nur Vancelli, und sonst nichts. Erzählst du mir die Geschichte von Cheliff und Chelia?«
    »Natürlich, mon cher, pass auf! Ich erzähle sie dir: Vor vielen, vielen hundert Jahren herrschte ein mächtiger Berberfürst im Aures Gebirge. Jener Schawiya Berber besaß eine wunderschöne Tochter, mit Namen, Chelia. Ihre Haut war so weiß wie die Milch einer Kamelstute und ihre Augen und das Haar, schwarz wie die Nacht in der Sahara. Jeden Abend saß Chelia am geöffneten Fenster ihres Gemaches, das ihr Vater mit den kostbarsten und edelsten Teppichen und Möbel eingerichtet hat. Chelia besaß alles was eine junge Frau besitzen kann, nur den Mann ihrer Träume, den hatte sie bis dahin nicht gefunden. Sie spielte jeden Abend, wenn sie am Fenster saß, auf ihrer Imzad, ein einsaitiges Musikinstrument, und sie sang dazu mit lieblicher Stimme die schönsten Lieder über die Liebe und Sehnsucht, in den von Sternen übersäten Himmel. Cheliff, ein Cherubim, hörte die lieblichen Klänge, die an sein Ohr drangen und er verließ den Himmel um in der Dunkelheit der Nacht zu Chelia zu schweben. Cheliff sah die schlafende Chelia und hat sich unsterblich in sie verliebt. Jede Nacht schwebte nun Cheliff hinab, um die schlafende Schönheit zu sehen. Bis zum Morgen harrte er neben ihrer Lagerstätte aus und jedes Mal, bevor Chelia erwachte, schwebte er wieder zurück in das Reich Allahs. An einem besonders schönen Sommerabend, Chelia spielte wieder auf ihrer Imzad, schwebte Cheliff herab und offenbarte sich Chelia, als ein Cherubim.
    Sie war entzückt von Cheliff, der mit weizenblondem gelocktem schulterlangem Haar, vor ihr stand. Seine Augen waren so hell und voll Glanz wie die schönsten Bergkristalle aus dem höchsten Norden der Erde. Cheliff und Chelia verliebten sich unsterblich ineinander und schworen sich ewige Treue. Fortan schwebte Cheliff, jeden Abend zu Chelia, und sie blieben zusammen bis zum Morgen. Eines Tages bat Cheliff den Allmächtigen Schöpfer Allah, er möge ihn freigeben, um als sterblicher auf der Erde zu weilen, denn er habe nun die Liebe gefunden, die nur ein Erdenmensch geben kann. Cheliff war Allahs liebster Cherubim und Allah wollte ihn um keinen Preis freigeben. Allah verbot Cheliff je wieder Chelia sehen zu wollen. Cheliff hielt sich lange Zeit an die Weisung des Schöpfers, doch eines Abends, die Sehnsucht nach Chelia wurde zu groß, da schwebte er wieder hinab zu ihr. Allah, erfuhr von dem Ungehorsam, und sandte in seinem unermesslichen Zorn, mächtige Blitze auf die Liebenden. Chelia wurde zuerst getroffen, und der Blitz verwandelte sie daraufhin in einen Berg, in den Djebel Chelia, den höchsten und schönsten Berg im Aures Gebirge. Ein weiterer Blitz traf Cheliff, und verwandelte ihn in einen Fluss, in den Oued Cheliff, den mächtigsten und längsten Fluss von Algerien. Beide wurden von Hunderten Kilometern der schönsten und der beeindruckendsten Landschaft in Nordafrika, getrennt. Sie können dieses Paradies zwar sehen, aber sie können niemals mehr zusammen kommen und in ihrem Paradies leben.«
     
    Während Marie-Claire mir diese Geschichte erzählte, hielt sie fest meine Hand und