Tanz der Aranaea (German Edition)
Algier nach Bejaia reiste ist für sie vorbei und gelebt.
„Auf ein Neues, geliebte Marie-Claire! Andere Menschen und andere Geschichten warten auf uns!“
Marie-Claire, Sabi Loulou und Zouzou Zizanie, waren Kinder des Maghreb. Afrika und doch nicht Afrika – Europa und doch nicht Europa!
Es war bereits zwölf Uhr mittags, und wir hatten in zwei Stunden Fahrt gerade einmal fünfzig Kilometer zurückgelegt. Von Bejaia aus fuhr Hossni, auf der für uns sehr gefährlichen Straße nach El Ksenk, jedoch begegneten uns zu unserem Glück keine Soldaten der Armee Boumediennes.
El Ksenk lag in jenem Tal, das die Große Kabylei von der Kleinen Kabylei trennt. Hier ist auch die Eisenbahnstrecke, auf der ich mich noch am vergangenen Montag befand, als ich Bejaia besuchte. Noch nicht einmal eine Woche war vergangen und doch hatte sich soviel im Lebenszyklus für eine kleine Gruppe Menschen verändert.
Von El Ksenk bogen wir links ab, in das Gebirge der Kleinen Kabylei. Tausendsiebenhundert Meter hoch führt die schmale Straße über die Orte Amizour, Barbacha bis Setif. Schwindelerregend waren die erschreckende Abgründe die vom unbefestigten Straßenrand in die Tiefe wiesen. Hossni fuhr wie ein verrückt gewordener Affe. Nicht sehr sonderlich schnell, dass ließ die Straße gar nicht zu, sondern bis zum äußersten Rand der Straße, damit wir nicht mit anderen entgegenkommenden Fahrzeugen kollidieren konnten. Zöpfchen, die zunächst auf der hinteren Bank saß, dicht an meiner Seite, wurde es speiübel bei dem Anblick der beginnenden Abgründe. Sie wurde käseweiß im Gesicht, soweit das ihre braune Haut überhaupt zuließ, als Hossni die ersten Linkskurven nahm und die Abgründe in ihren Dimensionen in die unermessliche Bodenlosigkeiten fielen. Zöpfchen sprang mit einem Satz über mich hinweg und klemmte sich zwischen mich und der linken Fondtür ein. Jetzt war ich es, dem Speiübel wurde beim Anblick dieser schrecklichen Tiefen. Fuhr Hossni eine Rechtskurve, die er oftmals bis zur äußersten Bankette nahm, dann wiederholte sich das über meine Beine Hüpfen, von Zöpfchen. Diese Aktionen fanden noch einige Male statt und als wir endlich die Strecke von Barbacha nach Setif erreichten, war Zöpfchen erschöpft eingeschlafen. Ihren Körper hat sie gleich einer Katze, auf der Sitzbank eingerollt. Den Kopf legte sie auf meinen Schoß und ich spielte mit ihren Haarbüschel, welche weit von ihrem Kopf abstanden. Diese Haarbüschel kannten allem Anschein nach, keine Gesetze der Schwerkraft. Sie standen buschig und dicht, von rosa Bändchen gehalten, einfach in der Geographie.
Mit meinem Mittel- und Zeigefinger betastete ich ihre eigenartige Gesichtstatauierungen, die sich fast wie kleine Narben anfühlte. Gedankenverloren gingen meine Finger den Konturen ihres Gesichtes nach. Als ich den Linien ihrer Nase folgte, öffnete sie kurz ihre schwarzen Augen durch die man absolut nicht hindurchsehen konnte, und mit einem wohligen kleinen Laut schlief sie wieder ein. Schlaftrunken und für mich zunächst kaum verständlich murmelte sie nach einer Weile, ob ich ihr in Agadez einige große goldene Ohrringe kaufen würde.
Die letzten Worte kamen nur noch schwach, denn Zöpfchen war wieder eingeschlafen. Wie friedlich Zöpfchen schlief, obwohl Hossni eine Kurve nach der anderen wie im Geist gestört, durchfuhr und dabei ständig eine rauchende Zigarette im Mundwinkel behielt. Was müssen die Eltern von Zöpfchen eine Angst ausgestanden haben, als sie von einer Tuareg Bande überfallen wurden. Welche Sorgen haben sie sich gemacht, als ihre zwölfjährige Tochter dabei entführt wurde? Wie werden sie reagieren, wenn sie ihre Tochter nach zehn Jahren der Abwesenheit wieder in die Arme schließen können? Wie viele Tränen haben sie in der vergangenen Zeit um ihre verlorene Tochter geweint, und wie viele hat Zöpfchen selbst vergossen? Diese großen vor Schreck geweiteten Kinderaugen, die sehen mussten, wie mit einem Schlag die Geborgenheit in ihrer Familie zerstört wurde. Die vielen Kinder von Dresden, die in einer einzigen Nacht, in jener Bombennacht im Februar 1945 ihre Eltern verloren haben, oder selbst Opfer wurden. Leutnant Harrer, damals im Jahre 1945 ein zehnjähriger Junge habe ich mit einigen anderen Kindern zur Flucht aus Dresden in die sichere Schweiz verholfen.
Ich zündete mir eine Zigarette an, und ließ jenen Teil meines Lebens an mir vorüberziehen, welcher mich so nachhaltig geprägt hatte. Wo immer Menschen meine
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