Tanz der Aranaea (German Edition)
der Nase zu ziehen?«
»Ja, das ist sie Marie-Claire. Für sie würde ich das gleiche tun wie ich es für dich tun würde.«
»Und was ist es, was du für uns beide tun würdest?«
»Ich würde um Mitternacht, mitten auf dem Marktplatz von Genf für sie, und in Bejaia für dich den Mond anjaulen, Marie-Claire!«
»Gibt es bei dir eigentlich noch etwas, das man als Normal bezeichnen könnte, Francesco? Egal, du triffst dich auf jeden Fall in Constantine mit Zouzou und Sabi Loulou, ich benutze schon wie du, die eigenartigen Namen, Zouzou und Sabi Loulou, für die beiden Bergeracs. Wo hast du diese Namen her? Sie heißen doch Solange und Sabea Bergerac? Na, auch egal! Mit wem trefft ihr euch in Constantine, wie heißt euer Ansprechpartner?«
»Liebe Marie-Claire, sie heißen jetzt Chiara und Bijou Vancelli. Eine davon ist jetzt meine Ehefrau, die sie nicht wirklich ist, und die andere ist jetzt meine Schwester, die sie ebenfalls nicht wirklich ist. Vergiss alles andere! Wir treffen uns bei Madame Michelle La Toustelle, am Boulevard de Fontainebleau No. 19. Kennst du sie?«
»Nein, nicht persönlich, aber ich werde unsere Leute in Constantine anrufen. Übrigens, ich gebe dir ein Schreiben für Fuad Alaouis mit, er ist einer der Führer der Schawiya-Berber im Aures Gebirge. Fuad ist ein Freund von mir und mit meinem Brief, könnt ihr, Chiara, Bijou und du, ungehindert von Constantine bis nach Biskra reisen. Es ist sein Gebiet!«
»Danke für alles, Marie-Claire! Heute Nacht sind wir jedenfalls in Sicherheit und wir beide machen durch bis morgen früh – d’accord?«
»Qui, d’accord!«
Marie-Claire, und ich saßen nach Indianerart auf dem Bett, und verdrückten munter gelaunt unser Carpaccio vom Lamm, und tranken dazu den erlesen schmeckenden französischen Champagner.
»Ich zeige dir jetzt etwas besonders schönes, Francesco. Als Erinnerung an deine Marie-Claire.«
Marie-Claire stand auf, ging zu einem kleinen Sideboard neben der Hausbar, zog einen Schallplattenapparat, welcher auf schmalen Schiebeelementen montiert war, hervor und legte eine Platte auf. Marie-Claire gab die Haffner Symphonie von Mozart. Sie ging zum Lichtschalter und schaltete die Leuchten aus, und nur das Licht im Badezimmer leuchtete noch. An den vier Säulen aus gedrehtem Messing, die vom Fußboden bis zur Decke gereichten, an der auch das große französische Bett befestigt war, löste Marie-Claire die mit einem verzierten Band gehaltenen Vorhänge aus feinster Seide. Einen Vorhang ließ sie geöffnet, den Vorhang, der das Gemälde von Cheliff und Chelia zeigte. Marie-Claire schaltete nun auch die Leuchte im Badezimmer aus und über einen kleinen Schalter neben dem Gemälde, beleuchtete sie das vollendet perfekt gemalte Bild des mir unbekannten Künstlers. Der Künstler malte dieses Bild auf Leinwand welche er über die ganze Wand spannte. Hinter der Leinwand befanden sich kleine Leuchten, die so raffiniert dieses Motiv ausleuchteten, so dass ein ungeahntes Leben in diesem Kunstwerk entstand. Wir saßen in unserem, von Vorhängen aus feinster Seide umrahmten Bett. Nur eine Seite war geöffnet und zwang den Anwesenden seine Aufmerksamkeit nur diesem Kunstwerk zu widmen. Marie-Claire und ich schlürften Champagner und aus Hintergrund ertönt leise und leicht die Haffner Symphonie von Mozart. Dieser Ort war ihr geweiht und heilig. Es musste eine Art Elysium für Marie-Claire sein und auch mich beschlich ein Gefühl als würde ich die erhabene Größe der Allmacht spüren. Es war ein Gefühl, und ich sah an dem Gesicht von Marie-Claire, das es ihr eben so erging. Ein Gefühl, dass man nicht im Alltag oder auf der Straße wiedergeben konnte und durfte. Es könnte beschmutzt werden oder von vulgären Menschen zu Lächerlichkeit degradiert werden. Solche Gefühle, die diese Situation hervorbringt, konnten nur im Herzen entstehen und nur in einem Refugium wie in diesem. Man darf es nicht aussprechen!
»Warum darf ich an deinem Refugium teilhaben, Marie-Claire?«
»Wie gefällt es dir Francesco?«
»Es ist traumhaft Marie-Claire! Ein Refugium! Ich kann es nicht glauben, so schön ist es!«
»Es ist mein Refugium, Francesco, und du bist der erste Mann, der es so erleben darf. Dies ist kein Gästezimmer, dies ist die Welt in die ich mich zurückziehe. Hier gibt es keine Agenten, keine Revolution, kein KGB, keine Kabylen. Nur mich, Cheliff und Chelia! Als ich die kleine Wodaabe vor zehn Jahren bei mir aufgenommen habe, ihre Familie wurde
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