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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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Kelter tritt, und rot besudelt sind deine Gewänder …«
    »Zu wem sprecht Ihr?« Ich lauschte mit halber Aufmerksamkeit zum Treppenschacht. Hatte sich dort nicht von neuem etwas geregt?
    Nabor straffte seine Gestalt und starrte mich durchdringend an. »Du – du bist immer da, wo so etwas geschieht, nicht wahr?«
    Dieser Satz erschreckte mich. Er sprach etwas aus, das mich im Innersten bedrängte. Das Unheil schien an meinen Fersen zu haften. Es folgte mir wie ein Schatten. Oder ich folgte ihm …
    »Du bringst den Tod«, hatte der Aussätzige gesagt. Hatte er am Ende Recht gehabt? War ich, ohne es zu wissen, ein Bote der Zerstörung? War das etwas Ähnliches wie der böse Blick? Oder gab es jemanden, der mich wie eine Maske benutzte, indem ich ihm Zugang verschaffte, vielleicht gar den Weg für ihn erkundete? Möglich war es. Diese Erkenntnis durchzuckte mich wie ein Blitz. Oh! Wie unvorsichtig von mir, meine Gedanken immer wieder abschweifen und meine Aufmerksamkeit sinken zu lassen!
    Nabor beobachtete mich mit einer fast ängstlichen Schärfe.
    »Was weißt du wirklich?«, fragte er unvermittelt.
    »Wenig genug. Aber ich weiß, dass die Gemeinsamkeit der Männer, von denen der Aussätzige gesprochen hat, längst zerbrochen ist. An Stelle der Kumpanei: Hass und Misstrauen. Wenn mich nicht alles täuscht, streiten sie um die Beute. Ein gnadenloser Kampf. Wölfe sind nichts dagegen. Ihr Bündnis halten sie nur noch zum Schein.«
    »Arndt«, sagte er. »Wenn du dich fragst, wer Schuld ist an diesem mörderischen Geschehen: Arndt. Kein anderer als er. Möge der Teufel ihn in die Hölle zerren für seine Falschheit! Ihn hat es zu Recht getroffen! Verstehst du? Was er für andere zusammenhalten musste, hat er verschachert, und was ihm anvertraut war, hat er an sich gerissen. Das ist Wortbruch! Er hatte kein Recht dazu! Wenn er verfolgt wurde, so hat er das selber heraufbeschworen! Nichts kann einen solchen Verrat entschuldigen!« Seine Züge verzerrten sich auf erschreckende Weise. Ich war erstaunt über die Erregung, die aus ihm hervorbrach, aber ich erkannte auch, dass dies der Augenblick war, ihm ein noch größeres Stück der Wahrheit zu entreißen.
    »Das Buch?«, fragte ich. »Das ist es doch, worum es Euch zu tun ist. Weil Ihr nämlich dabei gewesen seid! Selbst zu dieser Bande gehört habt! Warum sprecht ihr nicht davon ?«
    Ein Ruck geht durch seine Gestalt; blitzschnell wirft er sich vorwärts, beide Hände erhoben, die stechenden Augen auf mich gerichtet, mit einer katzenhaften Gewandtheit, die mich überrumpelt!
    Ich spüre den Anprall, ducke mich. Sein Stoß geht ins Leere. Er schwankt, rudert mit den Armen, kämpft um sein Gleichgewicht. Doch auch ich habe den festen Stand verloren! Rasch werfe ich mich zur Seite. Meine Schulter prallt gegen den Sockel des Krans, mein Fuß gerät an den Rand des Mauerwerks, und ich spüre: Ich komme ins Gleiten – Herrgott! –, gleite, rutsche auf dem schlüpfrigen Stein! Mörtel bröckelt. Mein Fuß schießt ins Leere. Hilf, Himmel! Mit jähem Entsetzen greife ich um mich. Ein Balken! Rau und splittrig unter meinen Fingern. Ich habe einen Balken vom Baugerüst gepackt! Verzweifelt klammere ich mich fest. Nur dieser Griff rettet mich vor dem Sturz. Undeutlich sehe ich, wie die Chorwand zwischen meinen Beinen emporstürzt … Nicht ein Laut kommt über meine Lippen. Ich bin vor Schrecken stumm. Nabor hingegen flucht gepresst, Lästerungen, die schändlicher sind, als alle Flüche, die ich je zuvor in meinem Leben gehört habe!
    Ich muss mich emporziehen, habe aber nicht die Kraft. DasHolz ist glitschig, und meine Finger verlieren allmählich den Halt. Ich rutsche tiefer und halte den Atem an.
    Was jetzt?
    Alles ist so plötzlich gekommen, ganz und gar unwirklich. Dennoch weiß ich genau: Ich schwebe in tödlicher Gefahr!
    Ein Seil! Da hängt ein Seil über die Mauerkante. Ich kann es mit der freien Hand packen, halte mich fest und quäle mich daran in die Höhe, Zoll für Zoll. Woher diese Kraft stammt – ich weiß es nicht. Schon ist mein Kopf über der Kante. Gleich werde ich die Schulter gegen das Gerüst stützen können, und dann …
    Nabors Gesicht! Er beugt sich über mich, die Augen lodern, und das Haar weht wie schwarzes Feuer um die glänzende Wölbung seines Schädels.
    Er schweigt und starrt mir ins Gesicht. Er greift nicht zu, um mir zu helfen, aber er rührt auch keinen Finger, um mich zu behindern.
    Seine Züge: von widerstreitenden Empfindungen

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