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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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ich nicht an die große Glocke hängen möchte. Ich habe Fehler begangen.«
    »Alle Menschen machen Fehler.«
    »Aber meine Fehler – nun, man geht über sie hinweg, weil man mich braucht. Dennoch …«
    »Also geheime Aufträge für den Kaiser.«
    »So kannst du es sagen. Aber sprich nicht darüber.«
    »Wichtige Aufgaben?«
    »Botschaften, Erkundigungen. Manchmal auch etwas weniger Ehrenvolles. Große Herren brauchen ihre Leute für gewisse Aufgaben …«
    »Unerfreuliche Aufgaben? Welche, von denen Verbände und Narben zurückbleiben?«
    »Das gehört zum Handwerk. Es ist besser, wenn du dir darüber nicht den Kopf zerbrichst.«
    Also doch wieder: Kind, misch dich nicht ein! Ich kam mir von neuem sehr töricht vor. Und nach dem, was am dringendsten war, hatte ich überhaupt noch nicht gefragt: Was hatte er mit dem Skorpion zu tun und mit alldem, was seit meiner Ankunft in Köln geschehen war? Das war es, was er mir erklären musste!
    »Da. Sind das nicht deine Freunde?«, durchkreuzte er meine Gedanken. Ich schreckte auf. Ja, da waren sie! Vor uns standen Zunge, Bär und Knaller, offenbar auf dem Gang zu ihrem Tagewerk. Diese Unterbrechung kam Grifone wohl sehr gelegen! Ob er absichtlich hier entlanggegangen war?
    Auch die drei hatten mich gesehen. Zunge hielt Bär am Arm fest, und Knaller, der wie ein Affe auf den Schultern des Blinden hockte, flüsterte ihm etwas ins Ohr.
    »Ihr seid es!«, rief ich. »Wie schön, euch zu treffen!« Und trotzdem hatte ich einen Kloß im Hals.
    »Und was ist mit mir?«, fragte Grifone. »Willst du mich deinen Freunden nicht vorstellen?«
    »Doch, natürlich! Das ist Zunge, das ist Bär, das ist Knaller! Hier ist Grifone … mein Vater.«
    »Vater und Sohn!«, quäkte Knaller und legte den Kopf schief. »Ein schönes Bild!«
    Zunge vollführte eine gezierte Verbeugung, und Bär streckte würdevoll die Hand zur Begrüßung aus. Grifone schien verwundert über diese Förmlichkeit, ging jedoch auf den Handschlag ein, ohne zu zögern. Was mich betraf, so wusste ich nur zu genau, weshalb der Blinde diese Geste wählte.
    »Das ist eine Hand, die zupacken kann«, sagte Bär, als er Grifone wieder losließ.
    »Und da ist ein Kopf, der auch ohne Augen sieht«, gab Grifone zurück.
    »Mag sein, mag sein«, murmelte Bär. »Teils weniger, teils mehr als andere.«
    Dann war das Eis gebrochen, und jeder drückte mich an sich. Zunge schob mir den Hut zurecht. Er war der Meinung, dass man ihn tief über den Augen tragen müsse. Bär tastete mich ab, kniff mich in die Wange und sagte: »Wenigstens hast du das Teufelsding nicht mehr an dir hängen.«
    »Er meint das Schießrohr«, sagte ich als Erklärung für Grifone.
    »Ich dachte mir schon, was er meint«, war die Antwort. »Aber ich staune, was er alles weiß.«
    »Und ich bin wie immer der Letzte!«, keifte Knaller. »Ein Wunder, dass man mich nicht ganz übersieht.«
    »Jedenfalls bist du nicht zu überhören«, sagte ich.
    »Und riechen tut ihn auch jeder«, fügte Bär hinzu. Aber seine Lustigkeit war aufgesetzt. Ich kannte ihn gut genug.
    »Wo ist denn dein Wunderfahrzeug?«, fragte ich Knaller.
    »Das? Ist ein Scheißding! Du kannst es haben. Nichts als Mühsal hat man damit! Versuch mal, damit zu Geschäften zu kommen …« Knaller erging sich in geharnischten Erläuterungen, bei denen ihm jedoch keiner mehr zuhörte. Außerdem trat jetzt eine mürrische Gestalt zu uns, die mich frösteln ließ: Bruder Anselmus, sehr bleich und mit einem Doppelblick, der noch weit beunruhigender wirkte als sonst.
    Anselmus hob den Finger und deutete auf mich: »Da ist ein Kind, das fürchtet sich vor gar nichts. Das solltest du aber! Ziehst mitdem einen herum und jetzt mit dem anderen. Mit dem Teufel im Bunde sind sie alle! Mancher glaubt, der Teufel sei tot! O nein, er ist nicht tot! Er lebt und ergeht sich unter uns. Und er hat viele Diener, die seinen Namen ehren! Es sind sogar Männer Gottes darunter. Einer liegt da, zerschmettert wie eine zertretene Kröte im Schutt einer Baustelle – und hat es versäumt, seinen Frieden mit dem Herrn zu machen. Und andere! Mancher glaubt, dass er schlau genug ist, mit dem Satan aus einem Topf zu essen, hat aber keinen Löffel, der lang genug ist. Ja: An den Zeichen sollt ihr sie erkennen! Herr, eine schöne Narbe tragt Ihr im Gesicht!«
    Ich spürte, wie Grifone sich spannte, und fürchtete schon, er werde sich auf Anselmus stürzen. Der aber bedachte uns alle mit einem sarkastischen Blick und schlurfte davon.

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