Tanz der Dämonen
verzog, ein munteres Lied an:
»Ihr Landsknecht jetzt und all, nehmt euch ein guten Mut!
Nach Frankreich woll’n wir mit Gewalt,
In Frankreich sind der Kronen viel …«
Aber diese unternehmungslustige Stimmung hielt nicht an, und bald hörte ich andere Töne:
»Viel welche heim sind kummen,
einer heut, der andre mor’n,
stille schweigend als die Stummen,
hatten Schwert und Helm verlor’n …«
Grifone kratzte sich versonnen die Narbe, als ob sie ihn juckte.
»Aber das hier, das habe ich mir erst später verdient«, sagte er. »Da ging es auf Rom. Es war Anno 27, Anfang Mai, der sechste, ich weiß es noch genau. Am frühen Morgen gab der Bourbon als Generalhauptmann seine Befehle vom Gianicolo, das ist einer der sieben Hügel. Dort hatte er sein Hauptquartier. Dann haben wir an der Porta del Torrione die Mauern durchbrochen. Ich war einer der Ersten auf der Sturmleiter. Vor mir der Bourbon persönlich! Verstehst du? Der hatte sich in den Kopf gesetzt, den Angriff selbst zu führen. Lächerlich! Als ob er das nötig gehabt hätte! Aber der Mann hatte Courage! Als ihn die Kugel traf, hat mich sein Blut bespritzt. Er sackte in sich zusammen und griff um sich, Halt zu finden. Er hat mich am Kragen gepackt. Ich versuchte ihn zu stützen, aber es hatte keinen Zweck. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, als wir da hingen, über dem Abgrund der Bastionen! Von oben Feuer und Eisen, von unten die Kameraden, die vorwärts drängten. Am Ende ist er gestürzt. Er hat nicht überlebt …«
»Und dabei …?«
»Nein, auch dabei noch nicht. Erst einmal haben wir gesiegt. Der Papst und die Kardinäle sind in einen ungeheuren Turm geflüchtet, den sie die Engelsburg nennen.«
»Der Papst?«
»Ja! Wir haben gegen den Papst gekämpft! Das war damals schon derselbe Clemens, der jetzt noch regiert. Er hatte sich mit dem Franzosen gegen den Kaiser verbündet. Es hieß damals, er wollte sogar mit dem Türken paktieren! Verzeih, Osman, wenn ich das so sage.«
»Schon gut«, murmelte der Angesprochene.
»Also, jedenfalls: Die Kanonade ging an der Zitadelle noch eine ganze Zeit, aber da hatten wir die Stadt schon im Sack. Die Schweizer Leibgarde hat noch gekämpft, das hörte ich von einem, der bis zum Vatikan vorgedrungen war. Zu dieser Zeit hatten die meisten der Unsrigen schon mit dem Plündern begonnen. Der Boyneburg ist an mir vorübergekommen. Er hatte ein ganz schwarzes Gesicht von all dem Rauch. Seine eigenen Leute schworen auf ihn. Er mag ein guter Kommandeur gewesen sein, aber ich konnte ihn nie leiden. Ein Drecksack und Schinder! Ich hörte ihn fluchen. Für uns hatte er kein gutes Wort. Er schrie nur herum. Er wollte jeden aufknüpfen, den er beim Plündern erwischte. So ein verflixter Bastard! Natürlich haben sich die Kerle doch ihre Beute geholt. Schließlich: Wir hatten seit vielen Wochen keinen Sold mehr bekommen. Das muss man einmal sagen! Und dann: Eine solche Stadt erobern und nicht plündern? Übrigens haben die Spanier schlimmer gehaust als wir!«
»Dann habt Ihr dabei mitgemacht?«
Er schwieg eine Weile und sagte dann mürrisch: »Ja doch. Ich will ehrlich mit dir reden. Ich habe nicht abseits gestanden. Oh, ja. Es hat eine Zeit gegeben, da wäre das für mich nicht in Frage gekommen. Aber dann sind eben Dinge geschehen … Also, jedenfalls hat es mich auch gepackt.«
Er schob das Glas beiseite und schien plötzlich zum Erzählen keine Lust mehr zu haben.
»Und dabei ist es passiert?«
»Dabei, ja. Ich habe nicht Acht gegeben. Das ist alles. Und wenn der da nicht gewesen wäre …« Er deutete auf Osman. »Also dann – dann hätte ich nicht überlebt.«
Er stand auf, blickte mürrisch um sich und ging nach draußen.
»Ihr wart also auch dabei?«, fragte ich Osman.
»Ja. Ich war gleich hinter ihm. Vom Sturmangriff an. Aber besser sollte er dir das alles erzählen.«
»Was gibt es denn noch?«
Osman zögerte erst, aber dann sagte er mit gedämpfter Stimme: »Du solltest wirklich alles wissen. Wir sind durch verwüstete Gassen gestreift. Der Schlachtenlärm und das Geschrei waren kaum noch zu hören. Die meisten Bewohner hatten sich irgendwo verkrochen, und ein paar Häuser brannten. Ich hatte dies und das genommen. Nichts Besonderes. Aber mein Sack wurde langsam voll. Er aber, er konnte sich nicht entschließen mitzumachen. Er ist eigentlich eine noble Haut, dein Vater … Dann stieß er in einem Laden auf einen silbernen Leuchter. Den nahm er, wenn auch ohne rechte Überzeugung. Es war ein
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