Tanz der Dämonen
Zunge machte eine vielsagende Geste mit dem Finger zur Stirn, und Bär murmelte: »Der hängt sich sehr an uns die letzten Tage. Es ist viel schlimmer mit ihm geworden. Sein Geist war schon lange an der Grenze, doch nun ist er ganz und gar abseits des Weges.«
»Wer kann es wissen?«, sagte Knaller. »Vielleicht weiß er ganz genau, wovon er redet.«
Grifone war ungeduldig geworden. »Verabschiede dich«, knurrte er. »Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.«
Als ich Bär umarmte, raunte er mir zu: »Sei auf der Hut! Dein Vater hält zwar viel von dir, aber er ist ein Mann, der keine Rücksicht kennt.«
Als ich mich kurz darauf noch einmal umblickte, sah ich die drei im Getriebe der Gasse verschwinden.
»Komm schon«, drängte Grifone. »Vergiss diese Narren!«
»Sie sind keine Narren!«
»Und der Mönch mit den schiefen Augen?«
»Das ist Anselmus. Er ist kein Mönch. Aber er hat viel mit Pater Nabor zu tun gehabt.«
»Sieh an. Er weiß wohl genau über den Teufel Bescheid?«
»Ich glaube, er ist nicht so verrückt, wie es aussieht. Und er ist auch nicht nur böse. Nabor, der war ein Bösewicht. Wisst Ihr, dasser versucht hat, Anselmus zu einem Einbruch zu überreden? Aber es ist nichts dabei herausgekommen.«
»Ach, wirklich?«
»Anselmus darf man nicht unterschätzen«, bekräftigte ich und erzählte, was ich über den unechten Mönch wusste und wie raffiniert er die Verbannung aus der Stadt umgangen hatte. Grifone schwieg. Das alles schien ihn nicht besonders zu interessieren, aber es gab ihm wohl doch zu denken.
Am Ende fragte er nur: »Wo hätte dieser Einbruch denn stattfinden sollen?«
»Das weiß ich nicht.«
Warum hatte er gerade das gefragt?
Es wurde ein trüber und ruhiger Tag. Wir gingen zwischen Obst- und Gemüsegärten dahin, die jetzt im Winter öde und kahl lagen. Grifone hatte zweifellos Gründe, die belebten Straßen der inneren Stadt zu meiden.
Bei einer Abfallgrube flatterten zahllose Krähen umher, die sich um irgendein Stück Aas zankten. Als wir näher kamen, flogen sie auf und versammelten sich in den Kronen einiger dürrer Bäume. Sobald wir vorüber waren, segelten sie wieder zu ihrer Mahlzeit hinab.
Ich beschloss, Grifone noch ein paar Fragen zu stellen. Also ein neuer Versuch, etwas aus ihm herauszuholen. Fang mit Nebensächlichem an, dachte ich. Eine erprobte Taktik. »Als Ihr mich zum ersten Mal gesehen habt, draußen im Schnee bei der Herberge – Ihr wisst schon! –, habt Ihr da gewusst, wer ich bin?« Davon hatten wir schon einmal gesprochen, neulich am Abend unserer Begegnung, als er sich zu erkennen gab. Würde er wieder dasselbe sagen?
Er ließ mich so lange auf eine Antwort warten, dass ich mich schon fragte, ob er überhaupt etwas erwidern wolle. Doch dann sagte er: »Ich habe es nicht gewusst. Ich hätte es vielleicht erkennen müssen, weil du deiner Mutter sehr ähnlich siehst. Aber ich war blind dafür. Das habe ich dir schon einmal gesagt.«
»Ihr habt mir also das Leben gerettet, obwohl ich Euch fremd war.«
»Diese beiden Kerle gefielen mir nicht. Ich hatte keine Lust zuzusehen, wie das geschah, was sie vorhatten.«
Das ist dasselbe, entschied ich nach kurzem Nachdenken. »Weshalb wart Ihr überhaupt dort?«
Er schien diese Frage ganz harmlos zu finden. »Ich wusste, dass Ahasver unterwegs war nach Köln. Ich wollte ihn treffen.«
»Ihr kennt ihn also schon länger.«
»Ziemlich lange.«
»Dann wusstet Ihr auch, dass er mich bei sich hatte?«
Grifone blieb stehen. »Ja. Das habe ich gewusst. Ich wollte schließlich, dass du nach Köln kamst. Das steht auch in meinem Brief, den du ja kennst.« Ob er es wohl schon bereute? »Trotzdem habe ich dich nicht erkannt. Du sahst aus wie ein ganz gewöhnlicher Rotzbengel.« Sein Ton verriet mir, dass er an dieser Stelle nichts weiter preisgeben würde.
»Ihr habt Ahasver dann in einem anderen Wirtshaus getroffen, in dieser anderen Stadt …«
»So ist es«, sagte er, und es klang etwas Ärger heraus, weil er sich wohl fragte, auf was ich eigentlich hinauswolle.
»Habt Ihr Geschäfte miteinander gehabt?«, fragte ich.
»Geschäfte? Man könnte so sagen. Ja.«
Das ist jetzt eine Lüge, dachte ich. Oder wenigstens eine halbe. Was immer es gewesen ist: Kein Mensch außer dir würde es als Geschäfte bezeichnen.
»Und Ihr habt gemeinsame Feinde gehabt?«
»Das weißt du doch! Du hast uns doch beobachtet – in der alten Brauerei.«
Er meinte zweifellos den Hof mit den Fässern, wo jene furchtbare
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