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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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Es ist ein sehr persönlicher Brief. Es geht um einen Menschen, der sehr viel für mich bedeutet hat. Dieser Mensch ist vor kurzem gestorben …«
    »Ich verstehe …«
    »Wie kannst du verstehen?« Das klang fast erschrocken, und er musterte mich mit einem seltsam unruhigen Blick. Was außer dem, das ich bereits wusste, mochte man ihm über mich erzählt haben? Dass ich zuzeiten Ahnungen und seltsame Träume hatte?
    »Ich dachte nur, Sire, die Statthalterin, die verehrungswürdige Tante Eurer Kaiserlichen Majestät …«
    »Du weißt davon?«
    »Man spricht darüber auf den Märkten. Die Zukunft der Niederlande … Das ist von Bedeutung für uns alle.«
    »Mag sein. Nun, der Brief ist nicht von ihr, sondern von einem Mann, der bei ihrem Tod anwesend war. Ein Mann, dem ich vertraue. Die Zeilen haben mich jetzt erst erreicht. Er schreibt, sie sei dem Tod mit Fassung begegnet, wie ich es nicht anders erwartet habe, aber da ist dieser eine Satz …«
    »Sire?«
    »›Möge Gott ein Erbarmen haben mit dem, was ich falsch gemacht habe.‹ Das hat sie gesagt. Dieser Mann hat es von ihren Lippen gehört. Und als man sie fragte, wovon sie spreche, hat sie gesagt: ›Es gibt Fehler, die erkennt man erst im Nachhinein.‹ Wer hoch steht und Verantwortung hat, begeht Fehler, verstehst du? Möge Gott ein Erbarmen haben mit denen, die Entscheidungen treffen müssen.«
    »Sire …«
    »Du hast von Angst gesprochen. Auch sie hat Angst gehabt, und nie hat sie es zu erkennen gegeben außer in der Stunde ihres Todes. Vielleicht hätte sie gar nicht gewollt, dass ich es erfuhr.«
    »Sire, auch die, welche am höchsten stehen, können wohl nichts Besseres tun, als was sie für das Rechte halten.«
    »Mag sein. Wir sind in Gottes Hand. Jetzt habe ich gesprochen, nun sprich du.«
    Ich wusste jetzt, was ich sagen konnte, mochte es auch nicht ungefährlich sein. Ich fasste mir ein Herz und fragte: »Darf ich etwas erzählen, Sire?«
    »Sprich«, sagte er leise.
    »Es war, als es Herbst wurde. Wir sind durch eine glückliche Landschaft gezogen. Felder und Obstgärten, blühende Dörfer, alles im Wohlstand. Dann aber fiel ein Schatten. Wir kamen in ein Dorf, wo die Leute die Türen nicht öffnen wollten. Selbst das Gasthaus nahm uns nicht auf. So haben wir im Wald geschlafen. Am nächsten Morgen, über allem lag Nebel, wollte ich zum Bach gehen, aber ich habe die Richtung verfehlt. Ich kam an einen Baum. An dem hingen seltsame Früchte. Ich erkannte nicht gleich, was es war, aber dann sah ich es: Es hingen Menschen daran. Ein Dutzend oder mehr, mit Stricken erhängt.«
    Er gab kein Zeichen davon, was er dachte.
    »Da war dieses Dorf, Sire: Es rührte sich kein Vieh, und es lebte kein Mensch. Sie waren alle tot. Überall nur streunende Hunde. Sie trugen eine schreckliche Beute.«
    Ich musste innehalten und sah ihn an. Sein Gesicht war noch immer ohne Ausdruck.
    »Sire, da haben wir an die Soldaten gedacht. Die hatten wir gehört. Sie waren am Abend durch den Wald gezogen. Wir hatten nicht geahnt, weshalb sie dort gewesen waren …«
    »Was erzählst du da. Das ist ohne Zweifel nur ein Teil der Wahrheit. Was war der Grund?«
    »Man sagte uns später: Das Dorf hatte seine Abgaben an den Herren nicht aufgebracht.«
    »Das alleine kann es nicht gewesen sein.«
    »Mag sein, dass man sich widersetzt hat. Ich weiß es nicht, Sire.«
    »Gewiss, es hat solche Fälle gegeben, auch in diesem Jahr. Revolten, Rebellionen.«
    »Aber: Die Soldaten, Sire …«
    »Ja?«
    »Wir haben sie singen gehört. Sie zogen fort und sangen dabei …«
    Es entstand ein längeres Schweigen.
    »Ich weiß, was du sagen willst«, murmelte er dann. »Aber die Zeiten sind so, dass es nicht möglich ist, die Ordnung aufrechtzuerhalten – ohne Soldaten. Sonst geht alles aus den Fugen. Man ist auf dem Thron wie ein Kapitän auf einem Schiff, das im Sturm zu kentern droht. Um den Untergang abzuwenden, muss gehandelt werden, und das schnell, und wenn man es nicht anders durchsetzen kann, dann mit Gewalt. Meuterer, die sich gegen die Herrschaft erheben, schlägt man nieder. Nichts sonst kann helfen! Es ist so viel Gärung und Umsturz in der Welt! Es sind die Mächte des Bösen, die das Haupt emporstrecken. Alles droht zu zerbrechen, und ich muss der Welt den Frieden geben! Gott fordert Rechenschaft von mir !«
    »Sire, nicht alle Menschen sind böse! Ich glaube, viele sind einfach nur unglücklich.«
    »Hast du nicht gehört von den verirrten Geistern des Jahres 1525? Im Anfang haben

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