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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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Und um was zu erreichen?
    All dies führte unausweichlich zu jenem anderen Vorwurf, demVorwurf, den der Graf erhoben hatte: Grifone sei der Mörder seiner alten Kumpane, die im Streit um die alte Beute ihr Leben verloren hatten – Arckenberg, die beiden Arndt, indirekt Nabor. Bisher hatte ich diese Ereignisse ganz anders gesehen: Ahasver hatte ich für den Täter gehalten, denn so vieles hatte auf ihn hingewiesen. Wie er Pater Nabor getötet hatte, hatte ich sogar selbst miterlebt. Nun jedoch war der Alte nicht mehr am Leben; niemand wusste das genauer als ich. Aber die Mordanschläge hörten offenbar nicht auf! Jemand hatte versucht, Graf Eglof zu erschießen – mit einer Armbrust. Wer konnte das anders gewesen sein als Grifone? Diese Erkenntnis traf mich heftig. Hatte ich also doch gehofft, er werde sich als schuldlos erweisen? Nun stand ich vor einer doppelten Wahrheit – klar, unwiderlegbar und entsetzlich: Grifone ist mein Vater, und er ist ein brutaler Mörder!
    Mehr Klarheit als zuvor – und noch viel mehr Grund zur Angst.
     
    Lange nach Mitternacht führte man mich in dasselbe Arbeitszimmer, wo ich dem Kaiser am Abend zuerst begegnet war. Der Monarch hatte seinen Überrock abgelegt und das Koller aufgeschnürt, so dass ein Hemd aus weißem Atlas hervorschaute. Die Kette mit dem Widder trug er immer noch. Als ich eintrat, blickte er auf, musterte mich mit ausdruckslosem Gesicht und sagte dann: »Man hat mir eine junge Dame gezeigt, ein Bild der Anmut, und nun schickt man mir einen Straßenjungen, der nach einem rechten Übeltäter aussieht, und man behauptet, die beiden seien ein und dieselbe Person …« Er stand von seinem Schreibtisch auf und betrachtete mich mit ostentativer Skepsis. »Und was am dreistesten ist: Man erwartet von mir, dass ich das glaube!«
    Immerhin war genug empörte Belustigung in seiner Stimme, dass ich den Mut fand zu antworten: »Sire, es war nicht mein freier Entschluss, weder das eine noch das andere.«
    »Gut, dass mir schon einiges im Voraus berichtet worden ist. Das mildert wenigstens die Überraschung. Und vielleicht bin ich ganz froh, dich auch einmal so zu sehen.«
    »Die Verkleidung war eine Notwendigkeit, Sire. Anders wäre es mir kaum möglich gewesen, meinen Weg zu gehen. Ein Mädchen kann nicht …«
    »Mag sein. Du weißt aber, dass es nicht ungefährlich ist?«
    »Bis jetzt hat mir das Glück geholfen.«
    »Noch vor ein paar Jahren hätte es den Tod bedeuten können, und selbst jetzt …«
    »Sire, ich tue nichts Böses!«
    »Ein Verdacht auf Hexerei kommt schnell zustande. Weißt du, wer die Jungfrau Johanna von Frankreich gewesen ist – und wie es mit ihr geendet hat?«
    »Auf dem Scheiterhaufen.«
    »Ein Vorwurf gegen sie war, dass sie Mannskleider trug!«
    »Aber sie ist rehabilitiert worden.«
    »Ja, sie ist jetzt eine Heldin, und vielleicht wird man sie einmal zur Heiligen machen, aber …«
    »Aber, Sire … Ich bin keine Heldin!«
    Die Antwort schien ihm zu gefallen, dennoch runzelte er die Stirn und sagte: »Widersprich nicht dauernd! Im Übrigen war es nicht deshalb, dass ich dich noch einmal rufen ließ.«
    Ja, weshalb eigentlich? Ich schwieg und wartete.
    Er wandte sich wieder dem Schreibtisch zu. Seine Hände schoben ein Papier hin und her, und es schien mir, er denke wirklich darüber nach, was er für einen Grund gehabt habe.
    Es entstand eine Pause, die so lange dauerte, dass sie mich zu peinigen begann. Ich wurde unruhig, und so kam es dazu, dass ich etwas aussprach, das sich mir gerade aufdrängte, ohne dass ich gehörig darüber nachgedacht hatte. Das ist leider etwas, das mir nicht selten widerfährt.
    »Sire, Ihr habt einen Kummer, nicht wahr?«
    »Wie, was sagst du da?«
    Ich hätte mir auf den Mund schlagen mögen und hatte nicht den Mut, es zu wiederholen. Es zeigte sich aber, dass er durchaus verstanden hatte.
    »Es kommt nicht oft vor, dass jemand mit mir so redet wie du«, sagte er. »Vielleicht ist das der Grund.«
    »Verzeiht mir, Sire, wofür der Grund?«
    »Und du hast Recht.«
    Er legte das Schriftstück, das ihn zu beschäftigen schien, mit einer fast zärtlichen Geste zur Seite. Offenbar hatte er nicht die Absicht, mir mehr zu sagen. Dennoch spürte ich, dass ihm genau das, woran ich gerührt hatte, im Kopf herumging.
    Er richtete sich auf, ein tiefer Atemzug.
    »Ich will dich etwas fragen«, sagte er. »Als du zu mir gekommen bist – hast du da Angst gehabt?«
    Was wollte er hören? Natürlich hatte ich Angst gehabt. Grund

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