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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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sie vielleicht nichts anderes gewollt, als was sie für ihr gutes Recht hielten. Aber wohin hat es sie geführt!«
    »Ich habe gehört, Sire, dass sie an die Gerechtigkeit des Kaisers appelliert haben …«
    »Aufruhr und Chaos! Sie haben die Faust erhoben gegen Gottes Ordnung. Das kann nicht geduldet werden, nicht geduldet und nicht verziehen! Nein, darüber sag nichts mehr! Ich verbiete es!«
    »Sire, verzeiht, Ihr habt mich gefragt.«
    »Ich habe dich gefragt …«
    »… was ich tun würde, Sire. Was ich tun würde … Ich würde versuchen, dass niemand leiden muss, wenn ich es irgendwie verhindern kann. Kein Mann, keine Frau und kein Kind. Es ist viel zu viel Leid in der Welt. Ich habe sie gesehen: so viele Menschen – fast alle vom Schmerz gezeichnet, von Krankheit entstellt, manche vonWaffen versehrt, und so viele, so schrecklich viele, die nur dadurch böse und gewaltsam geworden sind, hinterhältig und verschlagen, gierig und selbstsüchtig … durch das Leid! Am Grunde von allem, was ist da anderes als der Schmerz?«
    »Der Schmerz«, sagte er. »Auch der Schmerz kommt von Gott … Das Jahr ist mir ein zweiter Sohn geboren worden, von Isabella, meinem hochgeschätzten Weibe, Ferdinand mit Namen, und er ist mir gestorben.«
    »Das tut mir in der Seele Leid, Sire. Aber es kann nicht Gottes Auftrag sein, dass wir einander willentlich Schmerzen zufügen. Dennoch geschieht es überall … Das darf nicht des Menschen Bestimmung sein!«
    »Denkst du auch daran, dass es etwas gibt, das wichtiger ist als diese Welt, die wir mit unseren Augen sehen? Dort liegt das wahre Ziel, das Gott uns vorgegeben hat. Das Reich Gottes! Es ist Sein Wille, der über allem steht.«
    Mehr als alles andere wünschte ich mir jetzt, diese Unterredung möge zu Ende sein und ich möge irgendwo weit weg sein. Und alleine …
    Der Kaiser ließ das Medaillon, das er an seiner Kette trug, durch die Finger gleiten und sagte, den Blick abgewandt: »Das Reich der Christenheit ist in Gefahr. Das muss die erste Sorge sein! Die Macht der Türken ist noch nicht gebrochen. Sie haben Wien freigeben müssen, aber sie sind nicht wirklich geschlagen. Ich werde ihnen entgegentreten müssen, und ich darf nicht scheitern. Außerdem bedrängen sie uns auch auf dem Meer. Sie machen gemeinsame Sache mit den Piraten von der afrikanischen Küste. Die Schifffahrt rings um Italien ist nicht mehr sicher, und sogar Spanien wird bedroht. Noch schlimmer ist die Entzweiung im Innern des Reiches, und am schlimmsten die Spaltung des Glaubens! Wie soll dieser Bruch geheilt werden? Und was tut der Papst? Er ist das Oberhaupt unserer Kirche, aber er war nur allzu lange mein Feind. Und steht er mir jetzt wirklich zur Seite? Er ist ein Medici, und das bestimmt sein Denken! Vielleicht, wenn Papst Hadrian länger gelebt hätte oderauch mein Kanzler Gattinara. Aber so wird es kein Konzil geben und keine Reform. Und diese Briefe da«, er wies auf ein dickes Konvolut von Dokumenten, »lauter Probleme in den Ländern der Neuen Welt! Keines von all diesen Problemen scheint lösbar zu sein!«
    Vielleicht bereute er schon, dass er einem Impuls gefolgt war und mich so nahe an sich hatte herankommen lassen. Jedenfalls: Ein simples Privatissimum über die Probleme seiner Regierung war nicht das, was ich erhofft hatte. Närrin, die ich war! Was hatte ich denn überhaupt erhofft?
    Vorsichtig sagte ich: »Selbstverständlich, Sire, von all dem verstehe ich gar nichts. Aber – ich glaube, ich habe alles gesagt, was ich sagen kann … Ich kann es nicht ertragen, hilflos zuzusehen, wie das Leiden geschieht – überall.«
    Genau genommen war ich selbst erstaunt über das, was ich da sagte, und dass ich es gesagt hatte, aber zugleich wusste ich: Es war tatsächlich der Kern meiner Pein. Den hatte er mit seiner Frage bloßgelegt. Nie zuvor war es mir in den Sinn gekommen, dass ich imstande sein könnte, es so einfach auszudrücken.
    Ich schwieg, denn es erfüllte mich jäh mit Erschrecken, dass ich so weit gegangen war.
    »Verzeiht mir, Sire, ich bin dumm …«
    Der Kaiser war mit einer raschen Bewegung aufgestanden und ans Fenster getreten. Nun kehrte er mir den Rücken zu und blickte ins Dunkel hinaus. Sein Schweigen legte sich schwer auf meine Seele, aber diesmal brachte ich nicht den Mut auf, in die Stille hinein etwas zu sagen, nur um den Druck zu lösen, der in mir entstand. Ich atmete tief und presste die Lippen aufeinander. Unerträglich laut tickte die seltsame Uhr, die auf dem Tisch

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