Tanz der Dämonen
wäre.«
Verdammt, was wollte er nun damit wieder sagen?
»Ich will es so machen: Du erhältst diesen Beutel Gulden. Keine Widerrede! Ich will das auch um meinetwillen. Ich möchte gewiss sein, dass du zumindest in den einfachen Dingen keine Not leidest. Geh trotzdem vorsichtig damit um, und lasse keinen sehen, was du da hast. Um nichts sind so viele Menschen gestorben wie wegen des Goldes … Das weißt du so gut wie ich.« Er hängte mir die Schnur des Beutels, den er offenbar schon vorher zurechtgelegt hatte, mit eigener Hand um den Hals und schob ihn unter meinen Kragen.
»Und jetzt sage ich dir, was mein Wunsch ist: Ich weiß, dass du gerade jetzt in Bedrängnis und Gefahr lebst. Ich möchte nicht näher darauf eingehen. Du weißt darüber mehr als ich. Nur: Dem will ich dich nicht länger ausgesetzt wissen.«
»Sire?«
»Ich habe Ordre gegeben, dass du nach Aachen geleitet wirst. Dort befindet sich zurzeit eine Abteilung meiner Kanzlei. Vertrauenswürdige Männer. Mit ihnen wirst du nach Lüttich reisen, und dort wird zu entscheiden sein, was mit dir am besten geschieht. Die Schreiben sind bereits ausgefertigt. Ich kann dich nicht in der Gefahr zurücklassen!«
Es verschlug mir den Atem. Seine Art, über mich zu befinden, erschreckte mich. Zugleich fühlte ich jedoch eine große Erleichterung. Mit einem Schlag war ich allem enthoben! Unter dem Schutz des Kaisers! Keine Angst mehr. Aber – auch keine Freiheit mehr?
Ich brauchte nicht nach Köln zurück. Doch hieß das nicht gleichzeitig: nie wieder zu meinen Freunden?
Der Kaiser sah mein Zögern und deutete es falsch.
»Nein, danke mir nicht. Ich tue es im Gedenken an deine Mutter.«
Plötzlich war er wieder ganz der Kaiser. Es kam ihm gar nicht inden Sinn, dass seine Entscheidung in Frage gestellt würde. Und ich war nicht imstande, ihm zu sagen, was ich empfand – oder auch nur dem Zwiespalt meiner Gefühle Ausdruck zu verleihen.
»Und eins sollst du wissen«, fuhr er fort. »Wenn ein Augenblick kommt, da du den Wunsch hast, dich an mich zu wenden, dann zögere nicht!« Und offenbar mit Erleichterung, so als falle ihm ein Stein von der Seele, dass er nun eine brauchbare Abschiedsformel gefunden hatte, legte er noch einmal die Hand auf meinen Kopf und sagte: »Gott sei mit dir, mein Kind …«
Fehlte nur noch, dass er sagte: »Gib gut auf dich Acht!« Dann hätte er geklungen wie Bär!
Warum nur konnte ich mich nicht entscheiden, ob ich begeistert oder entsetzt sei?
Und warum, zum Teufel, hatte ich dieses blödsinnige Wasser in den Augen?
Irgendwie bin ich hinausgelangt, und die Tür klappte hinter mir zu.
Fünfter Teil
KAMPF
OLFSNACHT
Als ich in die Wachstube trat, stand Graf Eglof, der Majordomus, vor mir und blickte mich verwundert an.
»Ihr … Du … Ihr …« Er geriet ins Stammeln.
»Macht Euch keine Gedanken«, sagte ich. »Ihr seht ganz richtig. Glaubt mir, es gibt Gründe dafür.«
Er hatte offenbar nicht gewusst, dass ich mich umgekleidet hatte. Mein Anblick musste ihn also verwirren. Ich bemerkte es mit Vergnügen, zumal er sichtlich Mühe hatte, seine Fassung wiederzugewinnen. Er hatte mich nur einmal als Jungen gesehen, und das war viele Tage her, damals im Haus mit dem Löwen. Lange zurück. Ob er sich daran erinnerte? Und ob er sich im Klaren darüber war, dass ich mehr über ihn wusste, als ihm lieb sein konnte?
Ich war mir sicher, dass er zu der Bande gehört hatte, die im Bauernkrieg so brutal geplündert hatte und jetzt um ihr Raubgut von damals kämpfte. Für ihn war danach eine steile Karriere am kaiserlichen Hof gefolgt. War er wirklich zum Verräter geworden, wie Grifone behauptet hatte? Worin dieser Verrat bestehen sollte, konnte ich nur vermuten: Er hatte wohl die Seite gewechselt und dabei seine früheren Gefährten preisgegeben. Auf jeden Fall gehörte er offenbar zu jenen Kontrahenten, die es auf die gemeinsame Beute abgesehen hatten, vor allem auf den größten Anteil, das kostbarste Stück, dieses rätselhafte Teufelsbuch. Und das lag – wie ich inzwischen wusste – an einer schwer zugänglichen Stelle verborgen: in jenem alten Turm, an den das Haus mit dem Löwen angebaut war.
Der Kampf um diesen Schatz war keineswegs vorüber!
Während ich krampfhaft überlegte, was ich als Nächstes tun sollte, starrte Graf Eglof mit ausdruckslosem Blick in mein Gesicht.Was würde er jetzt tun? Zweifellos war er nicht ungefährlich! Was genau wusste er über meine Rolle in den Geschehnissen von Köln? Das musste ich
Weitere Kostenlose Bücher