Tanz der Dämonen
einen Wink, und wir warteten geduldig, bis Pietro aus den Fesseln gelöst war und vor uns stand. Er rief den Männern im Kran ein paar Abschiedsworte zu, die mit Buhrufen beantwortet wurden, strafte die Umstehenden mit einem triumphierenden Blick und wandte sich zu uns. Beim ersten Schritt allerdings stolperte er, streifte unsicher die Schulterdes Kaufmanns und fiel in den Dreck. Hastig rappelte er sich wieder auf und humpelte weiter.
»Da ist das Geld«, sagte ich so gleichmütig wie möglich und schob Zunge vor. Der Mann nahm die Münzen schweigend entgegen. Aber mir fiel auf, mit welch gierigen Blicken er und seine Leute mich plötzlich betrachteten.
»Gut. Dann werden wir jetzt gehen«, erklärte Bär freundlich, und ohne Hast traten wir den Rückzug an, Pietro in unserer Mitte und Zunge – wie zufällig – immer zwischen mir und den Kranleuten. Er hatte einen kräftigen Knüppel über die Schulter gelegt und pfiff vergnügt. Wo er den nur so plötzlich hergezaubert hatte?
Wir hatten fast schon die Mauerpforte erreicht, und ich fühlte mich beinahe sicher. Doch Bär, der wie immer mehr überblickte als wir anderen, mahnte leise: »Nicht unvorsichtig werden! Folgen sie uns?«
»Sie sind unterwegs«, kicherte Knaller. »Irgendein Geruch sticht ihnen wohl in die Nase. Der Geruch von Goldstücken, würde ich sagen. Die täten zu gern noch mal zugreifen!«
»Keine Sorge.« Das war Sambos Stimme. Er trat uns aus dem Schatten entgegen, winkte uns zu sich heran und sagte nun so laut, dass alle es hören mussten, über seine Schulter: »Macht euch bereit, Jungens, vier auf die rechte Seite und die Übrigen auf die linke. Es sind nur ein paar Hosenscheißer. Kaum halb so viele wie wir. Denen werden wir es zeigen, sonst glauben sie es nicht …«
Da blieben unsere Verfolger stehen.
»Den Trick habe ich von Ahasver gelernt«, flüsterte Sambo. »Klappt unfehlbar, wenn man ihnen nicht zu viel Zeit lässt!«
Gleich darauf waren wir im Gewirr der Gassen untergetaucht.
Eines stand fest: Ich hatte immer noch genug Geld, damit es an diesem Abend zu einem zünftigen Besäufnis in einer Spelunke am Hafen reichte. Nur ich selbst hatte nicht viel Genuss davon, weil es wieder einmal so war, dass sich mir schon nach dem zweiten Becher der Kopf drehte. Ich bezahlte den Wirt und zahlte auch fürunsere Unterkunft auf seinem Dachboden. Dort wurde geschlafen, bis der nächste Mittag kam, und Bär sagte: »Jetzt ist es Zeit, dass wir an unser Tagewerk gehen.«
Ich alleine lag wach in dieser Nacht, während alle schnarchten. Der Wein summte in meinem Kopf. Ich lag auf dem Rücken, blickte ins Dunkel, und meine Gedanken gingen düstere Wege. Was war mit Grifone, und wo mochte er jetzt sein? Ob der Kaiser schon in Lüttich war? Wann würde er erfahren, dass ich nicht mit seiner Kanzlei reiste?
Schließlich kroch ich an die Dachluke, öffnete sie einen Spalt weit und blickte hinaus. Welche Verwandlung: Es hatte wieder zu schneien begonnen. Feine weiße Flocken tanzten über der nächtlichen Stadt.
Da regte sich etwas neben mir. Jemand legte eine Decke um meine Schultern und hockte sich neben mich. Es war Pietro. Er schien völlig nüchtern.
»Ich danke dir«, sagte er.
»Schon gut.«
»Woher in aller Welt hast du dieses ganze Geld?«
»Vom Kaiser. Der hat es mir gegeben.«
Er schwieg. Dann sagte er: »Nicht übel geflunkert. Das musst du mir noch mal erzählen, wenn ich wieder nüchtern bin.«
»Was ist mit deinem Bein?«
»Ich bin gestürzt. Das ist ’ne Sauarbeit, sag ich dir.«
»Glaub ich gerne.«
»Ist eigentlich eine Arbeit für gelernte Knechte, die gut verdienen. Aber der Kerl macht das lieber so … Lässt Leute schuften, die er in der Hand hat, und rechnet ihre Gehälter für sich ab. Er hat einen bei der Stadtverwaltung sitzen, der ihn deckt, glaube ich.«
»Aber du warst ihm das Geld schuldig!«
»Künstlerpech!«
»Hast du beim Spiel betrogen?«
»Hat er gesagt. Glaubst du, dass ich mich von so einem erwischen lasse?«
Meine Gedanken wurden ruhiger.
»Pietro, wenn du dir etwas wünschen könntest. Alles, was du willst. Was würde das sein?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht … Vielleicht dass Sommer wäre. Ich möchte die Sonne spüren. Den Duft der Felder. Das Zirpen von Grillen in der heißen Luft. Im Gras liegen und zum Himmel schauen. Ach ja. Wenn es das sein könnte …«
»Du bist ein Narr.«
»Ich bin ein Narr. Das weiß jeder.«
Ich hätte gleichzeitig lachen und heulen mögen, ohne zu
Weitere Kostenlose Bücher