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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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Dreh nur den Finger um in der Wunde! Ich bin kein Narr! Ich habe begriffen, dass sie nichts für mich ist!«
    Geschieht ihm ganz recht, dass es schmerzt, dachte ich und wusste eigentlich nicht, warum sein Zorn mich so zufrieden machte. Was sollte es! Er war ein Narr, auch wenn er es nicht wahrhaben wollte. Narr bleibt Narr, und man erkennt ihn an den Schellen. Und am dummen Gesicht. Und an den Eselsohren. Fast jeder, der näher mit mir zu tun bekam, hatte Augen genug, um mich irgendwann richtig anzusehen, nur er nicht! Verdammt, wann würde er es endlich begreifen?
    »Lassen wir das«, sagte Pietro und schien mit einem Schlag wieder obenauf zu sein. »Wir haben soeben einen Entschluss gefasst – oder werden es jedenfalls bald tun, und das sollte gefeiert werden.«
    Ja, richtig, lenk ab, wenn es auf dich geht. Genau das ist es: Weiche jedem ernsthaften Thema aus. Und dann – nicht zu vergessen! – mach dir einen schönen Tag. Wie wär’s mit was zu saufen?
    »Im Wirtshaus am Ende der nächsten Gasse gibt es Gewürzpunsch«, sagte er.
    Na also!
    »Man riecht es bis hier!«, fuhr er fort. »Wir sollten uns was davon holen.«
    »Hast du denn Geld?«, fragte Sambo.
    »Dafür immer.«
    Ich konnte nur staunen. War er denn nicht arm wie eine Kirchenmaus? Hatte er nicht deshalb in Schuldhaft gemusst?
    Pietro grinste verschmitzt und fingerte eine Münze aus seiner Tasche.
    »Guckt nicht so!«, sagte er und ließ sie auf dem Dielenboden tanzen. »Der Kranpächter, dem du viel mehr Geld gegeben hast, als einer wie ich jemals wert ist, der hatte viel zu viel davon in der Tasche. Ich bin ganz nahe an ihm vorbeigekommen, und er war ziemlich abgelenkt. Kurz: Es war eine allzu gute Gelegenheit!«
    »Du wirst am Galgen enden«, brummte Sambo.
    »Man hängt keinen, es sei denn, man hätte ihn erst einmal! Kopf hoch! Wir müssen nur noch entscheiden, wer von uns gehen soll. Dort ist ein Krug, der hat gerade die richtige Größe für meiner Mutter Sohn und seine Freunde!« Damit streckte er uns drei Hölzchen entgegen, die er wie aus dem Nichts hervorgezaubert hatte, damit wir je eines ziehen sollten, um auszulosen, wer das kürzeste bekam. Sambo wollte schon zugreifen, aber ich hinderte ihn daran.
    »Lasst nur!«, sagte ich. »Das haben wir schon oft gemacht, und ihr zwei seid solche Schlitzohren, dass ich jedes Mal der Dumme gewesen bin. Also spart euch die Mühe! Ich werde freiwillig gehen. Es kommt ja doch auf nichts anderes hinaus!« Ich schnappte mir die Münze und den Krug und streckte beiden gehörig die Zunge heraus, mitten in ihr selbstgefälliges Grinsen hinein.
     
    Die Stadt wirkte fremd, und es war so still, als habe die weiße Decke jeden Laut erstickt. Das Wirtshaus war nur eine winzige Schankstube, wo in einem großen Topf Wein mit Apfelringen, Gewürzen und was weiß ich noch allem köchelte. Der Duft hatte etwas Betäubendes. Eine schmächtige alte Frau mit merkwürdig farblosen Augen und leerem Blick rührte in diesem Sud herum und streckte wortlos eine spinnige Hand nach meinem Krug aus. Eine seltsameFrau, dachte ich. Wenn jemand abergläubischer wäre als ich, könnte er sie wohl für eine Hexe halten.
    Gut, dass ich nicht abergläubisch bin, fügte ich hinzu und nahm mir dennoch vor, mich nachher unauffällig zu bekreuzigen.
    »Schnee!«, verkündete sie in einem krächzenden Singsang, während sie das Gebräu mit einer Schöpfkelle abfüllte. »So viel hat es lange nicht mehr davon gegeben!«
    Ich bezahlte. Sie horchte nach draußen, als ob sie etwas vernehme, das ich nicht hören konnte. Mit wichtiger Miene fuhr sie fort: »Die Nacht hat’s gestürmt, das wilde Heer! Da ist mancher unterwegs, vor dem man auf der Hut sein muss. Das weiß nicht jeder: Die Dämonen lieben den Schnee! Den Schnee und die Finsternis! Oh, ja! Und morgens sieht man dann die Spuren. Hab wilden Lärm gehört, die Nacht!« Sie nickte wichtigtuerisch, und ich wusste nicht recht, ob ich sie lächerlich finden sollte oder beängstigend.
    »Gib Acht, mein Junge«, mahnte sie eindringlich. »Nichts seh ich klar, doch vieles kann geschehen.«
    Weit ist es nicht her mit deiner Gabe, Alte, wenn du mich für einen Jungen nimmst!
    Sie spitzte den Mund und flüsterte: »Sieh dich vor, wenn die Nacht kommt! Gott mit dir!«
    Ich nahm den Krug in den Arm und trollte mich. »Gott mit Euch!«, murmelte ich. Erst später merkte ich, dass sie mich mit ihrem Geschwätz darüber hinweggetäuscht hatte, dass sie mir das Wechselgeld vorenthalten

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