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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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wissen, warum.
    »Und du?«, fragte er. »Was würdest du dir wünschen?«
    »Ich glaube: dass ihr immer alle bei mir wäret. Du … und Sambo, und alle, die zu mir gehören, eben alle – die noch leben. Dass ich mich niemals wieder von einem Menschen trennen muss, der mir etwas bedeutet.«
    Pietro seufzte. Sein Kopf schmiegte sich an meine Schulter. Er schlief.
     
     
     

BERFALL
    »Es schneit«, rief Sambo. Ich hörte es im Erwachen. Er hielt die Fensterluke offen. Kalte Luft strömte herein. Aus einem bleiernen Wolkenhimmel schwebten dicke Flocken herab und legten sich weich, geradezu zärtlich auf die Dächer der Stadt. Der dunkle Umriss des Doms war kaum noch zu erkennen. Die Welt schrumpfte auf den engsten Umkreis.
    Pietro saß in einen Winkel gekauert und ließ zwei kleine Bälle zwischen den Händen wechseln. Mal verschwand der weiße, mal der rote, und dann wies er sogar beide Handflächen zugleich vor, um zu zeigen, dass sie leer waren.
    »Sie stecken im Ärmel«, sagte ich. »Es muss noch etwas schneller gehen. Dann ist es richtig.«
    »Für dich«, sagte Pietro. »Du hast geübte Augen und misstrauische Gedanken. Stell dir vor, du wärst ein dummer Bauer!«
    »Die mögen dumm sein, aber sie sind auch verschlagen. Die denken vielleicht schärfer als wir!«
    »Mag sein. Sollen sie. Sieh im Ärmel nach!«
    Ich tat es. Kein Ball rechts und keiner links.
    »Na, du Klugschnabel: Wo sind sie?«
    »Sie stecken in der Hose«, sagte Sambo.
    »Unsinn!«
    »In meiner natürlich. Deine ist leer!«
    »Ihr habt keine Ahnung!« Pietro grinste und holte die Bälle unter seinen Achseln hervor. »Ich bin zu gut für euch«, seufzte er. »Und ihr seid zu dumm für mich. Nur schade, dass jeder Arsch auf der Straße besser hinschaut als ihr!«
    Gelangweilt blickte er um sich und schien zu überlegen, was er als Nächstes tun könne.
    »Du solltest etwas mit den Beinen machen«, sagte ich. »Von deinen Übungen am Kran musst du dort Muskeln haben wie ein Ochse. Das ist reine Verschwendung …«
    »Du hast vielleicht Recht«, sagte Pietro. »Man könnte abhauen. Das wäre das Richtige. Die Straße unter die Füße.«
    »Und das jetzt?«, fragte Sambo. »Hast du noch nicht rausgeguckt?«
    »Porca miseria!« Beim Fluchen verfiel Pietro immer gerne in seine Heimatsprache.
    »Aber … ich würde auch am liebsten gehen«, sagte Sambo.
    »Eben. Wo Ahasver tot ist – was sollen wir noch hier? Ich hasse diese Stadt.«
    Sambo neigte unwillig den Kopf. »Weshalb fängst du von dem Alten an?«, murmelte er. Pietro sah ihn scharf an, ein Blickwechsel, der mir merkwürdig erschien, ohne dass ich wusste, warum.
    »Weil er tot ist«, sagte Pietro, »und weil wir nichts wert sind ohne ihn. Darum.«
    »Wir können, was wir können«, warf ich ein.
    »Was kannst denn du?«, gab Pietro unvermutet scharf zurück. Es tat mir weh, aber er schien das nicht zu bemerken.
    »Wir sind alle nur Stümper – für uns alleine«, fuhr er fort. »Wir haben nicht seine Verbindungen und kennen nur den kleinsten Teil von seinen Kniffen. Was wirklich zählt, hat er uns nie sehen lassen. Aber er ist – nicht mehr da, und wir können nichts anderes.«
    »Und wir wissen nicht, was aus Barbaro geworden ist«, sagte Sambo. »Sonst hätte ich sofort gewusst, wie es mit uns weitergehen könnte.«
    »Jedenfalls sollten wir hier bleiben, solange all die Fremden in der Stadt sind«, gab ich zu bedenken. Ich war mir aber bewusst, dass ich nicht fortgehen wollte, ehe ich dem Rätsel des Skorpions auf den Grund gegangen war und – ehe ich noch einmal mit Grifone zusammengetroffen war. Es ging einfach nicht an, dass ich das alles ungeklärt in der Luft hängen ließ, ohne ein abschließendes Wort. Er war mein Vater, und das bedeutete etwas – selbst wenn er ein Verbrecher und Mörder war.
    »Ganz klar«, sagte Pietro. »Wir werden gehen, aber erst, wenn ich genügend darüber nachgedacht habe.«
    »Was heißt das?«, fragte Sambo. »Meinst du, du wärst jetzt unser Oberhaupt? Glaubst du, das könntest du sein?«
    Pietro warf mit einer wütenden Geste seine Übungsbälle von sich. »Nein!«, fauchte er. »Ist ja schon gut! Ich weiß, dass ich den Alten nicht ersetzen kann.«
    Ich sagte beiläufig, aber nicht ohne Berechnung: »Vielleicht meinst du, wir brauchen noch jemanden dazu? Zum Beispiel eine Tänzerin, die etwas hermacht?«
    Er starrte mich düster an. »Was soll das heißen? Maledizione! Verdammt noch mal!«
    »Ich meine ja nur …«
    »Ich weiß, was du meinst!

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