Tanz der Dämonen
diese Frage verbannte ich aus meinem Kopf. Wie sollte er in meiner Lage helfen? Ich führte Sambo zum Gebäude der Armenspeisung. Mein Blick wanderte zum nahen Turm des Doms hinauf. Der Anblick des unfertigen Baus ließ mich an das denken, was von dem Turm zu Babylon berichtet wird: Menschliche Vermessenheit wird bestraft! Die Erinnerung an PaterNabor drängte ich beiseite. Dennoch lief ein kalter Schauer über meinen Rücken.
Mein Blick flog über die zerlumpten Gestalten im Schatten des niederen Vordachs. Schmutziger sahen sie aus und elender, als sie mir jemals früher erschienen waren. Doch nicht das war es, was mich beunruhigte. Mir fehlten die vertrauten Gestalten meiner Freunde. Stattdessen entdeckte ich den Bettler mit den Marderschwänzen. Er stritt sich mit einigen unglaublich schmutzigen Kumpanen herum, und im Handumdrehen setzte es Hiebe. Ein Messer blitzte auf, aber da waren schon andere dazwischengegangen. Marderschwanz zog sich mit blutiger Nase zurück.
Neben mir krächzte eine Stimme: »O ja, der Gerechte muss viel leiden!« Es war Knaller, auf den Schultern von Bär! Zunge erschien in ihrem Schlepptau, trat neben mich und deutete auf seinen grinsenden Mund: ein deutlicher Kommentar und zugleich die Aufforderung, es ihm gleichzutun.
»Ihr seid es!«, rief ich. »Euch habe ich gesucht!«
»Es gibt viele, die ihre Freunde nicht finden, wenn es ihnen gut geht«, sagte Bär. »Aber du hast selbst dann Schwierigkeiten, wenn du im Dreck sitzt und deine Freunde besonders nötig hast.«
»Seid mir nicht böse«, sagte ich, seine Empfindlichkeit sehr wohl spürend, »aber ich weiß kaum selber, was mit mir geschieht. Und – denkt euch nur: Ich habe mit dem Kaiser gesprochen!«
»Ach ja«, sagte Bär unbeeindruckt. »Man geht wohl aus und ein bei den hohen Herrschaften. Wie wär es denn mit einem Titel bei Hofe? Seht Ihre Hoheit Kat!« Er bot uns das Zerrbild einer höfischen Verneigung, und Knaller, der dabei fast von seinem luftigen Sitz gepurzelt wäre, krähte: »Macht Platz, Ihr Leute, Platz für die Bettelprinzessin!«
Ihr Spott tat mir weh, und ich fühlte eine heiße Welle von Zorn in mir aufwallen. Aber es gelang mir, mich zu bezähmen, und Bär wendete die Gefahr ab, indem er brummelte: »Schon gut, Kind! Aber sag: Hast du vielleicht vergessen, uns etwas Wichtiges zu erzählen, das dich betrifft? Dass du zum Beispiel mit ’nem goldenen Löffel im Mund geboren bist?«
Ich schwieg betreten. »Ich weiß doch selber nicht …«
»Und? Hat er uns nicht grüßen lassen, der Karle?«, unterbrach mich Knaller, der immer noch an einen Scherz zu glauben schien.
Bär jedoch, der es zweifellos besser wusste, sagte: »Erzähl uns das ein anderes Mal in Ruhe. Worum geht es jetzt ?«
»Das hier ist Sambo«, sagte ich. »Ein Freund aus meinen Gauklertagen. Wir sind auf der Suche nach Pietro, unserem Gefährten, der sich in die Scheiße geritten hat.«
»Derlei kommt vor«, sagte Bär. Zunge nickte Sambo zu, und dann beguckte er mich nachdrücklich von allen Seiten.
»Weißt du, was ihn stört?«, erläuterte Knaller. »Du hast ein paar hübsche Schrammen überall. Hast du an der kaiserlichen Tafel den falschen Trinkspruch losgelassen?«
»Zur Sache«, brummte Bär. »Was hat er verbrochen, euer Freund?«
»Er hat um Geld gespielt und verloren.«
»Derlei kommt vor.«
»Er hat gegen einen Bürger und Pfeffersack verloren, und der hält ihn nun in Eisen und lässt ihn seine Schuld abarbeiten, bis er alt und grau ist.«
»Derlei …«
»… kommt vor. Ich weiß, aber das hilft uns nicht.«
Bär musterte mich abschätzend. »Welcher Pfeffersack?«, fragte er dann.
Sambo, der bisher geschwiegen hatte, nannte den Namen des Kaufmanns mit den dicken Backen.
»Ach, der«, sagte Bär. »Ein harter Brocken. Schön dumm, dein Freund.«
»Ein Arschloch«, urteilte Knaller fachmännisch.
»Wie auch immer, ich muss ihn finden und ihm helfen.«
»Das gefällt mir eben an dir«, erklärte Bär und grinste. »Die meisten sind nur für sich selbst auf Hilfe aus. Aber mal ernsthaft: Es wird nicht möglich sein, ihm zu helfen – ohne Geld.«
»Wenn es nur das ist – Geld hab ich genug.«
Bär tastete nach meinem Kopf, um mir die Wange zu tätscheln.»Unser junger Freund hier«, brummte er, »steckt voller Überraschungen. Das habe ich schon öfter festgestellt.«
Und Knaller gab dazu: »Sollte ’nen hellen Kopf wie mich nicht wundern, wenn er ein schwer reicher Bankier ist. So Leute führen ja manchmal
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