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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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gegen die Tür. Drinnen tat sich gar nichts. Noch ein Stein. Mir brach der Schweiß aus. Jetzt rumorte es im Inneren des Hauses. Zum Davonlaufen war es zu spät. Die Tür öffnete sich einen Spalt, und eine Frau steckte den Kopf heraus, eine kräftige, dralle Frau in mittleren Jahren, die eine Schürze trug und von Küchendüften umgeben war.
    Ich versuchte etwas zu sagen – was denn nur? –, doch kein Laut drang aus meiner Kehle.
    »Mein Gott, was bist denn du für einer?«, fragte sie barsch und schüttelte den Kopf. »Du versuchst es wohl zum ersten Mal, was?«
    Ehrlich, immer wenn ich sie am dringendsten brauchte, kündigte mir meine verflixte Stimme den Dienst auf!
    Dann lachte sie und sagte: »Bleib da.«
    Die Tür schloss sich. Ich wartete und spürte die beginnende Kälte des Abends. Die Tür ging wieder auf. Da war die Köchin, lachte erneut, zeigte ein paar kichernden Küchenmädchen mein belämmertes Gesicht, ließ zu, dass sie sich richtig an meinem Anblick weideten, und drückte mir dann ein Bündel in die Hand, das merkwürdig warm war und nach Geflügel duftete.
    »Nimm schon!«, sagte sie. »Und wenn du es nächstens nicht überzeugender zu Stande bringst, dann lernst du besser was anderes.«
    Die drei Kumpane verließen ihre Deckung.
    »Als Bettler bist du glatt ein Versager«, meckerte Knaller und bekräftigte seine Aussage, indem er einen heftigen Wind fahren ließ.
    »Ich fand das gar nicht übel«, widersprach Bär. »Hier duftet doch der Erfolg.«
    Und sie mampften alle drei von den Geflügelresten, die ich bekommen hatte. Mir selbst war der Appetit vergangen.
     
    Am selben Abend nahmen meine Beschützer mich mit zu ihrem Schlafplatz. Er lag in einem der gemauerten Bögen, welche die Innenseite der Stadtmauer stützten. Aus ein paar alten Brettern hatten sie dort eine Art Hütte hergerichtet, in der es warm und trocken genug zum Übernachten war.
    Sie hockten noch eine kurze Zeit im Dunkel und redeten über dies und das. Dann hörte ich plötzlich lautes Schnarchen. Das schien ihre Lebensart zu sein: Wenn es etwas zu essen gibt, iss. Wenn nichts anderes zu tun ist, schlafe. Nur Bär war noch wach, denn er sprach mich an:
    »Du weißt ja, dass du mit deinem Geheimnis sehr vorsichtig sein musst?«
    Ich zögerte. »Also weißt du Bescheid?«
    »Ich weiß, dass du ein Mädchen bist, wenn du das meinst.«
    »Du hast es gleich gewusst, stimmt’s?«
    »Nicht gleich, aber ziemlich bald.«
    »Ich habe es mir fast gedacht. Wie ist das möglich? Du bist doch blind!«
    »Ja. Ich bin blind, aber nicht blöd.«
    »Und woran hast du es gemerkt?«
    »Nicht so leicht zu sagen. Deine Stimme …«
    »Die meisten kann ich täuschen.«
    »Die meisten hören und hören nicht zu . Sie sehen und sehen nicht hin . Sicher habe ich es gewusst, als ich deine Schulter angefasst hatte. Da ist ein Unterschied zwischen den Muskeln eines Jungen und eines Mädchens, weißt du. Außerdem ist es so: Wenn jemand etwas zu verbergen hat, dann ist er nicht mehr unbefangen, und das verrät ihn …«
    »Ich glaube, du siehst mehr als andere.«
    »Mag sein.«
    Ich lehnte mich zurück und versuchte meine Gedanken zu ordnen.
    »Jedenfalls musst du vorsichtig sein«, sagte er von neuem. »Eine Anklage gegen eine Frau kommt schnell zu Stande. Und bis zum Vorwurf der Hexerei ist es nicht weit. Hexerei wird auch in Köln verfolgt, wenn auch weniger eifrig als anderswo. Gib Acht, wer über dich Bescheid weiß! Und denk daran, dass Frauen schwerer zu täuschen sind als Männer.«
    »Wieso das?«
    »Es ist eben so.«
    »Ich werde wachsam sein«, sagte ich zögernd. »Warum tut ihr das alles eigentlich für mich?«
    »Nimm es als Geschenk«, sagte er ausweichend. »Zunge ist ein guter Kerl. Die anderen verstehen ihn nur nicht recht. Als ich ihn damals kennen lernte, Anno 25, da hatte er noch drei Kinder. Die sind nicht mehr da. Du erinnerst ihn, glaube ich, an seinen Jüngsten. Schließlich hält er dich für einen Jungen.«
    Wieder dieses Wort.
    »Was war denn Anno 25?«
    Er schwieg eine Weile, so dass ich mich schon fragte, ob vielleicht auch er jetzt eingeschlafen sei oder ich das doch nicht hätte fragen sollen. Aber dann kam wieder seine Stimme. »Das erzähle ich dir vielleicht ein anderes Mal. Und sei besser vorsichtig, wen du danach fragst.« Eine Pause. »Sag mal: Was wirst du künftig tun? Du willst doch nicht Bettler werden.«
    Das war eine Frage, die ich mir selber schon gestellt hatte. Und ich hatte inzwischen die Antwort darauf.

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