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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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verzeihen?
    Das Schreiben trug kein Datum. Ich wusste aber von Vater Sebastian, dass es eingetroffen war, als meine Mutter schon nicht mehr lebte. Also wohl vor vier oder fünf Jahren. Er hatte es für mich aufbewahrt. Ob der Hinweis darin überhaupt noch stimmte? Wie oft hatte ich mich das in den letzten Monaten gefragt. Immerhin: Den Herrn Arndt gab es also. Aber was sollte dieses merkwürdige Versteckspiel? Ob mein Vater in diesem Haus auf mich wartete?
    Der Brief schloss mit der Wendung: Es bereitet mir große Pein, dass es mir wohl niemals mehr vergönnt sein wird, Euch wiederzusehen, und er war nicht unterschrieben, sondern wies nur eine seltsam ungelenke Zeichnung auf, die wohl eine Art Wappen mit der Klaue eines Raubvogels darstellte; genau vermochte ich das nicht zu erkennen.
    Das Haus mit dem Löwen, dachte ich. Da hinein musste ich nun, wenn mir auch bei dem Gedanken das Herz klopfte.
    Wem würde ich dort begegnen? Was würde ich dort erfahren? Ob in Wahrheit Herr Arndt mein Vater war? Ich konnte dieses Gefühl der Beklommenheit nicht abschütteln, obwohl ich eigentlich nur freudige Erregung hätte fühlen sollen!
    Bär setzte sich neben mich. »Du suchst etwas, das dir sehr wichtig ist, nicht wahr?«
    »Ich muss dort hinein. Es geht um meinen Vater …« Und in kurzen Worten erzählte ich ihm, wie es damit stand.
    »So, so«, brummte er. »Dann bist du ja fast am Ziel. Bist du nicht froh?«
    »D-doch …«
    »Ich glaube dir nicht.«
    »Ich habe eine Scheißangst.«
    »Dann willst du lieber nicht gehen?«
    Konnte ich jetzt kneifen? Wozu hatte ich dann den langen Weg gemacht? Und was sonst konnte ich tun?
    »Es muss jetzt sein«, sagte ich. Schließlich wurde auch die Kälte in der Gasse so quälend, dass mir keine andere Wahl mehr blieb. Und so nahm ich allen Mut zusammen, ließ die Kumpane hinter mir und klopfte an die Tür. Einen Augenblick lang kam mir alles so vor wie gestern, an der grünen Tür jenes anderen Hauses. Dann öffnete sich, ohne dass ich davor irgendetwas gehört hatte, eine Klappe im schweren Holz. Das misstrauische Gesicht eines alten Mannes erschien. Wohl ein Diener. Er räusperte sich umständlich und fragte abweisend: »Was willst du?«
    »Ich muss den Herrn Arndt sprechen«, sagte ich. »Es ist wichtig. Und ich weiß, dass er da ist.«
    Der Diener sagte nichts und schloss die Klappe.
    Ob das alles ist?, dachte ich. Ein seltsames Benehmen. Dann knarrte die Tür, und zu meinem Erstaunen ging sie auf.
    »Kommt mit mir«, sagte der Alte und ließ mich hinein. Ich wunderte mich erneut: Er sah mich gar nicht an. Mit lautem Dröhnen fiel die Tür hinter mir ins Schloss. Eine dicke Tür. Man vernahm drinnen nicht, was draußen vorging, und umgekehrt war es zweifellos genauso. Der Alte, der eine Art Kittel trug, schlurfte mir voraus durch eine düstere Halle, dann einen Gang hinunter und eine enge Treppe hinauf. Das Haus roch seltsam muffig, und irgendwie kam es mir unbewohnt vor.
    Absonderlich, dachte ich, er hat gar nicht gefragt, wer ich bin. Und wenn der Weg hier drinnen so lang ist, hat er auch gewiss keine Zeit gehabt, mich seinem Herrn zu melden oder von ihm eine Weisung einzuholen, was er zu tun habe. Was stimmte hier nicht?Hatte man mich etwa erwartet? Nun, ich kam nicht dazu, mir weitere Gedanken zu machen. Jetzt standen wir nämlich vor einer massiven Stubentür, die mit allerlei Schnitzereien verziert war; der Diener klopfte und schien eine Antwort vernommen zu haben, obwohl ich nichts gehört hatte. Er öffnete und tauschte ein paar geflüsterte Worte mit jemandem, bevor er mich hineinwies und entschwand.
     
    Ich betrat ein verwinkeltes Zimmer mit einem Kamin, in dem Flammen von Holzscheiten loderten. Die Luft war überhitzt und von einem seltsamen Geruch erfüllt, der mir fremd, doch andererseits auch sehr vertraut erschien. Am Fenster stand, halb abgekehrt, ein Mann in einem bräunlichen Hausrock.
    »Herr Arndt …?«, brachte ich heraus. Dann wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Er machte eine vage Bewegung, und ich trat auf ihn zu. Er war wohl in mittleren Jahren, vielleicht vierzig, obwohl er zunächst älter wirkte; er schien voll Unruhe zu sein, auch wenn er keine Miene verzog, als er sich umwandte und mich eingehend musterte. Sein Blick war forschend, aber ohne Anteilnahme, und seine Gedanken galten zweifellos nicht mir.
    »Du bist also sein Kind«, sagte er, ohne auf den Brief, den ich ihm gereicht hatte, mehr als einen kurzen Blick zu verschwenden. Grüblerisch

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