Tanz der Dämonen
verstanden, nicht wahr? Du hast manche Wahrheit gefunden, aber es wird kein Bild daraus. Weißt du was? Ich werde dir sagen, was ich herausgefunden habe. Ich habe auf meine Art nachgeforscht, aus Gründen, die du baldverstehen wirst. Manches wirst du bereits wissen, anderes wird dir neu sein.«
Ob er wirklich durchschaute, was mir noch rätselhaft war? Aber warum nur wollte er es mir darlegen? Da redete er bereits.
»Also höre: Es beginnt mit einem Kloster im Fränkischen, auf den Namen des Ortes kommt es hier nicht an. Da saß vor einigen Jahren ein Mönch, der ein Adept des berüchtigten Abtes Trithemius war. Ich weiß, dass du den Namen dieses erlauchten Kopfes unserer alchimistischen Zunft bereits kennst … Dieser Mönch führte im Geheimen die Studien des Meisters fort – unheilige Studien, wie manche sagen. Was für ein Unsinn! Ich wollte, ich könnte alles über seine Ergebnisse erfahren. Nun, man wird sehen. Der Mönch hatte zu seinem Glück den Schutz seines Priors. Dem ist es übrigens nicht zum Schaden gewesen. Der Klosterbruder hat ihm durch sein wagemutiges Forschen mancherlei Reichtümer verschafft, auf welche Weise auch immer. Es wird dir nicht unbekannt sein, dass manche Männer Gottes den Wert des Geldes recht gut zu schätzen wissen. Sie fürchten den Teufel und reichen ihm dennoch bereitwillig die Hand.
Nun gut. In diesem Kloster gab es einen Schatz, der ruhte in einem verborgenen Gewölbe unter der Klosterbibliothek: der echte Schatz ebenso wie der falsche. Der falsche, musst du verstehen, das ist der Mammon. Geld und Gold, Juwelen, kostbare Gefäße für ehrwürdige Reliquien – falls man von derlei etwas hält – und vieles mehr. Solche Reichtümer mögen unentbehrlich sein, wenn man gewisse Ziele erreichen will, aber eigentlich bedeuten sie nichts. Der echte Schatz jenes Ortes waren andere Dinge, die dort gesammelt wurden, und das waren wirkliche Kostbarkeiten: Zimelien des Geistes, Repertorien des geheimen Wissens, unschätzbare Bücher, besonders jenes eine … Außerdem fanden sich im geheimen Kabinett Materialien und Gerätschaften, die schwer zu beschaffen sind, vor allem einige Substanzen von unvorstellbarer Kraft. Alles war da, was für die bedeutendsten Experimente erforderlich ist. Sie sagen: Zauberei. Ich sage: Wahrheit. Mehr Wortewill ich davon nicht machen. Die Gerüchte sind ohnehin ins Uferlose gewuchert.«
Er seufzte und wandte sich jetzt um, sah aber nicht in meine Richtung. Es entstand eine Pause, ehe er mit festerer Stimme weiter sprach: »Anno Domini 1525, fast schon sechs Jahre ist es nun her, als der große Bauernaufstand seinen Höhepunkt hatte, da ist dieses Kloster gebrandschatzt worden. Die Mönche, so sie überlebt haben, wurden vertrieben, und die Gebäude blieben als Ruinen zurück. Die Bauern hatten ihren Mut daran gekühlt und dies und das davongeschleppt. Von dem Kabinett unter der Bibliothek wussten sie nichts. Aber da gab es eine Bande von Männern, für die war der Aufstand nur Mittel zum Zweck gewesen. Sie hatten den Zorn der Bauern ausgenutzt und ihren Furor gegen das Kloster gelenkt, aber die Beweggründe der Aufständischen teilten sie nicht. Eine Gruppe von sieben Männern, Männern ganz unterschiedlich von Herkunft und Charakter, die sich unter einem Bestreben zusammenfanden, nämlich dem der materiellen Habgier – obwohl mindestens einer von ihnen vielleicht auch ein edleres Motiv gehabt hat.
Sie wollten sich Zugang zu dem geheimen Keller verschaffen, der bei der Plünderung des Klosters unberührt geblieben war. Diese sieben will ich dir nun aufzählen, damit du verstehst, was es mit ihnen auf sich hat. Lange genug habe ich gebraucht, um dies alles zu erkennen.«
Er nahm sieben Schachfiguren von dem Spielbrett in die Hand. Schwarze Bauern allesamt. Den ersten stellte er auf den Tisch.
» Primus . Der Hauptmann, der den Heerhaufen der Belagerer angeführt hat. Ursprünglich ein Ritter, soweit ich weiß, der die Sache der Bauern zu seiner eigenen gemacht hatte. Ein ähnlicher Kopf wie dieser Florian Geyer, der ja Berühmtheit erlangt hat. Solche Männer sind tragische Gestalten: Sie haben für die Ziele der Unterdrückten gekämpft, ihre Hoffnungen geteilt – und sind gescheitert. Wenn sie nicht dem Tode verfielen, waren sie von der Enttäuschung gezeichnet. Der Hauptmann übernahm das Kommando einer Bauernarmee und führte sie anfangs zum Sieg. Dann jedoch glitt ihmdie Gewalt über den Haufen aus der Hand, und bald nach der Zerstörung des
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