Tanz der Dämonen
auch wirken mochte.
Immerhin, dachte ich. In eurem Lachen ist viel Gespanntheit, das habe ich nicht überhört.
»Seht an«, rief der Magus und deutete voraus. Da hob sich wiederum ein Relief aus dem Dunkel, ein größeres dieses Mal: ein kauernder Stier und ein Mann, der auf dem Tier kniete, mit einem Messer in der Hand.
»Gott Mithras«, flüsterte der Gelehrte – wie zu sich selbst. »Kein Zweifel, ein Werk aus römischer Zeit.« Ich erinnerte mich, eine ähnliche Darstellung, nur viel kleiner ausgeführt, in der Sammlung des Herrn Lennart gesehen zu haben. Es schien mir fern wie in einem früheren Leben.
»Geht weiter!«, drängte Grifone. »Da beginnt eine größere Kammer. Ich denke, wir sind am Ziel.«
In der Tat. Neben dem Bildwerk öffnete sich ein niedriger Durchgang mit einem wuchtigen Steingebälk. In jählings aufwallender Erregung ließ Grifone alle Bedenken außer Acht und übernahm die Führung. Der Lichtschein seiner Fackel geisterte durch einen Raum, der wie eine Höhle wirkte. Kräftige Säulen flankierten halbrunde Nischen, in denen die Dunkelheit lauerte.
Doch unsere Aufmerksamkeit wurde auf etwas gezogen, das sich in der Mitte des Raums befand. Dort erhob sich ein Sockel, der an einen Altar erinnerte, und auf seiner Deckplatte stand ein glänzender Gegenstand, von dem das Licht der Flammen zurückgeworfen wurde. Dabei verwandelte sich der rötliche Feuerschein in ein kaltes, böses Glitzern.
»Da steht das vertrackte Ding«, sagte der Magus.
Grifone nickte stumm.
Mein Blick fiel auf etwas, das sich vom Boden abhob und vonerschreckender Gestalt war. Ich senkte meine Fackel, um dieses Etwas besser sehen zu können, und erblickte einen Menschen in seltsam gewundener Stellung. Widerstrebend trat ich näher. Der Anblick verursachte eisiges Grauen: ein maskenhaftes Gesicht, verzerrt von Schmerz oder Entsetzen, die Zähne entblößt, grüner Schaum in den Mundwinkeln. Augen, weit aufgerissen, die starr ins Leere blickten, aber zugleich bösartig und scharf ausgerichtet: das eine auf mich, das andere auf den glänzenden Gegenstand. Was für ein Ding war das? Ich richtete mich auf und erkannte eine goldene Schatulle, auf deren Deckel sich eine funkelnde Zierfigur erhob: ein großer goldener Skorpion, der täuschend echt wirkte.
Dennoch bannte der Leichnam im schwarzen Mantel am Boden meine Aufmerksamkeit. »Anselmus«, flüstere ich.
»Sieh an«, sagt der Magus. »Auch er ist also bis hierher gelangt. Es ist ihm nicht gut bekommen.«
Ich habe bis heute keine Erklärung dafür, wie Anselmus sich Zutritt zu diesem verborgenen Gewölbe verschaffen konnte. Das Einzige, was ich mir vorstellen kann: Er hatte mehr Anteil an den Kenntnissen Pater Nabors, als ich dachte …
Grifone und sein Rivale nahmen den Toten kurz in Augenschein. Dann stiegen sie ohne zu zögern über den starren Körper hinweg und näherten sich vorsichtig der Schatzkiste. Mir hingegen graute vor Anselmus, und ich suchte mir einen Weg seitlich an der Mauer entlang, um ihn nur ja nicht zu berühren. Obwohl ich keinen Zweifel hatte, dass jedes Leben aus ihm gewichen war, war die unvernünftige Angst nicht abzuschütteln, er könne jählings wieder erwachen und mich mit den verkrümmten Klauenfingern packen.
Rau, der Mann aus Grifones Truppe, blieb auf einen Wink seines Hauptmanns rechts vom Eingang stehen.
»Was haltet Ihr davon?«, fragte der Magus. Der lauernde Unterton in seiner Stimme war ganz deutlich.
Grifone brummte unschlüssig. Er beugte sich vor, um das Bildwerk aus der Nähe zu betrachten. Auch ich spürte, dass ich wie magisch von dem goldenen Skorpion angezogen wurde. Er warunbeschreiblich schön – und erschien doch auf teuflische Weise gefährlich. »Scorpius«, sagte der Magus leise. »Der Wurm der Erde, der das Herz aufzehrt, bedeutet den Teufel und alle, die ihm dienen.« Es klang wie ein Zitat.
Grifone hob vorsichtig die Hand, zog sie dann aber wieder zurück, ohne etwas berührt zu haben.
»Macht Euch keine falsche Hoffnung«, sagte er in Richtung des Magus. »Genau wie Ihr habe auch ich den grünen Schaum des Todes bemerkt.«
Sprach er von Bruder Anselmus? Hegte er eine bestimmte Vermutung in Bezug auf sein Ende? Womöglich Gift?
Während ich noch darüber nachsann, ertönte eine Stimme, die mich zusammenfahren und mir den Atem stocken ließ. Dumpf und unheimlich hallte sie von den Wänden zurück, unverkennbar und dennoch ganz und gar unmöglich!
»Da tut ihr gut!«, erklärte die Stimme streng.
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