Tanz der Dämonen
verzweifelt …«
Ich deutete auf Nummer vier. »Pater Nabor«, sagte ich.
»Wie Recht du hast! Der hat gehofft, er könne mich für sich benutzen. Hat begriffen, dass er nicht allein ans Ziel gelangen würde. Er hat allerdings immer gezweifelt, ob es richtig war, einen wie mich ins Boot zu nehmen. Ganz hat er mich deshalb nie ins Vertrauen gezogen. Wo er seinen Schlüssel aufbewahrte, hat er mich niemals wissen lassen. Er trug ihn nämlich nicht mit sich herum. Er hatte ihn, wie ich inzwischen weiß, auch nicht bei sich, als er starb. Als Nabor nicht wiederkehrte, war ich zuerst ziemlich ratlos. Ich habe lange suchen müssen. Erst in jener Nacht, in der du in seinem Haus aufgetaucht bist, habe ich den Skorpion gefunden. Zusammen mit dem Konvolut von Notizen, das ich dir gezeigt habe. Du hast mir Glück gebracht!« Er lachte tonlos vor sich hin. »Du denkst wahrscheinlich, das alles spreche gegen mich. Aber gerade was den Priester angeht, weißt du doch genau, wie er diese Welt verlassen hat. Ich hatte nichts damit zu tun.« Er blickte mich bedeutungsvoll an.
Was verbirgt sich hinter seiner Pose?, fragte ich mich. Ist es am Ende auch nur Angst? Vermutlich war es vor allem Eitelkeit, die ihn antrieb, vor mir auszubreiten, was er herausgefunden hatte. Er spreizte sich gerne mit seiner Geistesschärfe, und zweifellos hörte er sich gerne reden.
»Und dieser schließlich«, sagte er gut gelaunt, »der ist vom edlen Grafen. Er wurde ihm ganz einfach gestohlen. Ferrand hat das für mich erledigt. Ein Mann von Talent! Wenn auch ein unerträglicher Widerling.«
»Der Mann mit dem Ohrring. Ich dachte, der steht im Sold des Grafen.«
»Ganz recht, selbst der Graf hat das lange geglaubt. Aber solche Schurken handeln letzten Endes immer nur aus Eigennutz.«
»Ich habe meine eigenen Erfahrungen mit diesem Bastard gemacht.«
Er lächelte herablassend.
War das eine zusätzliche Erklärung für die Unsicherheit und Verwirrung des Grafen? Wusste er nicht mehr, ob er dem eigenen Handlanger trauen durfte? Oder hatte er nur Angst vor Grifone gehabt?
»Übrigens hat dieser Schurke inzwischen eigene Maßnahmen ergriffen, um bei diesem Spiel nicht leer auszugehen«, setzte der Magus hinzu. »Ich glaube, dass er es war, der den Überfall vorhin in der Gasse zu verantworten hat. Er weiß offensichtlich, wo er suchen muss, und beabsichtigt einen Vorstoß.«
Ferrand – und nicht Grifone? Ich überlegte, ob das vielleicht von größerer Bedeutung sei, als mein Gegenüber zugestehen wollte. Ich kam nicht dazu, diesen Gedanken zu verfolgen. Mit einer plötzlichen Bewegung erhob sich der Magus, trat zu einem großen Schrank an der Seitenwand des Raumes und öffnete ihn ohne Zögern. Der Schrank war leer. Was mich aber wirklich überraschte: Statt einer Rückwand sah ich eine weitere Tür, und die nahm sich äußerst merkwürdig aus. Sie war mit groteskem Schnitzwerk und komplizierten Ornamenten geschmückt. Die Mittelfläche zeigte deutlich das Zeichen des Skorpions, sehr wirkungsvoll gestaltet.
»Hier ist das Allerheiligste!«, erklärte der Magus. »Diese Geheimtür öffnet den Zugang zur Schatzkammer. Nur ist ein kleines Problem dabei … Doch dafür wird bald Rat kommen, wenn ich nicht irre.« Er bemerkte mein Erstaunen und fuhr fort: »Ein bemerkenswertes Kunstwerk, findest du nicht auch? Der Wahn des Kaufmanns Arndt hat seltsame Blüten getrieben. Sein Verstand muss schwerer erkrankt gewesen sein, als seine Umgebung geahnt hat. Er hat wahrhaftig einen Kult mit diesem Buch getrieben. Allerdingssollten wir bedenken: Es verleiht dem, der es versteht, eine nahezu unumschränkte Macht über die gesamte Welt!«
Ob das wirklich so war? Verstieg er sich jetzt nicht seinerseits in Phantasterei? War er selbst eine Beute des Wahns?
Andererseits hatte er vermocht, was mir undenkbar erschienen war: Er hatte durch seine Nachforschungen das Rätsel gelöst und ein Bild der Geschehnisse ausgebreitet, dem ich nicht widersprechen konnte.
»Meister«, sagte ich und ärgerte mich, dass meine Stimme so unsicher klang, »Ihr treibt ein böses Spiel mit mir. Ich lasse mich nicht länger zum Narren halten! Was habt Ihr vor? Worauf warten wir?«
Unmut blitzte in seinen Augen auf. Er schien aufbrausen zu wollen, besann sich jedoch. Er lächelte wieder – auf jene Art, welche die Augen nicht mit einbezieht. Plötzlich zitterte ich, und ich wäre am liebsten geflüchtet.
»Weißt du, was man über den Skorpion erzählt?«, fragte er beiläufig. »Man
Weitere Kostenlose Bücher