Tanz der Dämonen
sagt, er sei von solchem Stolz, dass er in auswegloser Lage vorziehe, sich durch den eigenen Stachel den Tod zu geben.«
Sein Blick fixierte mich jetzt wieder so, wie er es neulich in Pater Nabors Haus schon einmal getan hatte, auf eine Weise, die mich bedrängte, ja, stechenden Schmerz auslöste. Mir schwindelte der Kopf, mein Atem ging mühsam, ich war plötzlich gelähmt wie die Ratte vor der Schlange. Es schien Ewigkeiten zu dauern, dass keiner von uns sich rührte. Dann glitt meine Hand zum Stiefel und begann, darin nach dem Griff meines Dolches zu tasten … und mit einem Mal wusste ich: Wenn diese Hand den Dolch fand, würde sie ihn nicht gegen ihn richten …
Da gab es eine Bewegung am Fenster, und der Bann war gebrochen. Von der Hilflosigkeit, die mich gepeinigt hatte, blieb nur eine vage Übelkeit zurück. Die stechenden Augen hatten sich von mir abgewandt. Etwas anderes hatte nun die Aufmerksamkeit des Hexenmeisters auf sich gezogen – und gleich darauf auch die meine. Eine Gestalt war im Fenster erschienen, schob ein Bein über dasGesims und glitt in den Raum. Es war niemand anders als der, den ich weniger denn je Vater nennen mochte.
»Seid gegrüßt«, sagte er und lächelte ohne jede Befangenheit. »Ich erlaube mir den Zutritt, meine Herren. Keinesfalls ein Grund, diese anregende Plauderei zu unterbrechen!«
AS S CHATZGEWÖLBE
»Wie ich sehe, hat man mich erwartet«, sagte Grifone und starrte den Magus herausfordernd an. Mich beachtete er gar nicht. Ich blickte von einem zum anderen. Obwohl sich beide vollkommen gelassen gaben, spürte ich, dass eine gefährliche Spannung zwischen ihnen lag.
»Da seht Ihr recht«, antwortete der Magus. »Es ist so, dass ich genau im Bilde war, dass Ihr nach Eurem jüngsten – hm – Auftrag nicht früher als heute wieder in Köln sein konntet. Andererseits war ich mir sicher, dass Ihr so bald wie möglich hierher kommen würdet. Wenn man seine Auskunftsquellen hat, ist Voraussicht kein Kunststück. Ihr wart gezwungen, Eure Absichten bis zu diesem Zeitpunkt aufzuschieben. Eine arge Geduldsprobe für einen ungestümen Mann, nicht wahr?«
»Ich weiß nicht, was Ihr meint«, brummte sein Gegenüber.
»Heut Abend wart Ihr zu erwarten«, erklärte der Magus lächelnd. »Und Ihr seid mir sogar willkommen! Ja, ich habe wahrhaftig auf Eure Pünktlichkeit gehofft! Aus gutem Grund. Nein: aus zwei Gründen! Einer ist: Wenn ich mich nicht täusche, kennt Ihr das Geheimnis dieser Tür, und das wird die Dinge ein ganzes Stück leichter machen.«
»Leichter für Euch, glaubt Ihr? Wer weiß.« Grifone grinste spöttisch und fügte hinzu: »Aber Ihr täuscht Euch nicht, was die Tür betrifft. Und Euer anderer Grund – lasst mich raten: Ihr habt Euch gedacht, dass ich früher oder später kommen würde, und da ist es Euch gerade jetzt sehr recht, denn Ihr möchtet mich nicht gerne im Rücken haben, wenn Ihr dort hineingeht …«
»Und? Möchtet Ihr denn vorangehen?«
»Das hättet Ihr wohl gerne!«
Sie standen sich lauernd gegenüber, bis Grifone die Erstarrung brach.
Ohne ein weiteres Wort trat er zu der geheimnisvollen Tür, berührte ihre Rahmenleiste und vollführte eine Reihe von Handgriffen an den Zierornamenten. Das ging so schnell, dass meine Augen nicht folgen konnten. Plötzlich stutzte er und hielt inne. Das verstand ich nicht, und ich nahm an, dass es dem Magus ähnlich ging. Er hatte ruhig beobachtet, was geschah, und sagte nun:
»Man hätte sie auch mit Gewalt öffnen können.«
»Das würde schwer fallen«, erwiderte Grifone. »Sie ist mit Eisen verstärkt. Andererseits war Euer Kopfzerbrechen umsonst. Der Mechanismus ist gar nicht gesperrt …«
Was immer das bedeuten mochte, es blieb unerörtert, denn nun war ein schwaches Knarren zu hören, dann ein dumpfes Ächzen von Holz und ein Scharren von Metall. Grifone hatte einen kaum erkennbaren Bügel im Schnitzwerk ergriffen. Die Tür bewegte sich langsam und gab den Blick in einen niedrigen Raum mit einem kleinen Fenster frei. Das Fenster, das den Magus so sehr beschäftigt hatte, als er nach Hinweisen auf den Ort des Schatzverstecks suchte. Die Leibung war nicht einmal groß genug, um einen erwachsenen Menschen durchzulassen, aber das war ja ohnehin unwichtig, weil es sich zum Einsteigen an einer viel zu hohen Stelle befand.
»Das ist der alte Turm«, sagte der Magus. »Er hat ihn also wirklich umgebaut. Und da geht es hinab.«
»Es ist eine breite Treppe«, sagte sein Rivale. »Wir
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