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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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Mann, sagen Zeugen, war auch dabei, der einen roten Bart trägt und wie ein Stutzer gekleidet ist … und dessen Blick kein Mensch standhält …«
    Er schaute mich durchdringend an. Ich schwieg.
    »Sie wollen beobachtet haben, dass er hinkte …«, murmelte er, »… und – Hörner …«
    »Das ist Unsinn!«, rief ich.
    »Leise!«
    »Seid unbesorgt! Wenn ich eine Gabe besitze, die etwas Besonderes ist, dann kommt sie von Gott …«
    »Schon gut. Aber eines sage ich dir: Bleib nicht in der Stadt. Selbst wenn ich die Hand über dich halte, solange ich es vermag, kann ich dich nicht ewig schützen!«
    »Ich verstehe …«
    »He, ihr«, wandte er sich abrupt an seine Untergebenen, »lasst diesen Jungen hinein! Er sucht seinen Vater.«
    »Mich auch! Ich bin ein Freund.« Das war Pietro. »Ich werde auf ihn aufpassen.«
    Herr Lennart maß ihn mit skeptischem Blick. »Du hast wirklich viele Freunde«, sagte er leise. Dann laut: »Lasst beide hinein, aber gebt Acht, dass sie nicht – hm –, dass sie sich nicht in Gefahr bringen!«
    Mit ausdruckslosen Gesichtern ließen die Wachen unspassieren. Herr Lennart folgte uns mit langsamem Schritt. Zuerst ging es durch eine Bresche, die man bereits freigeräumt hatte. Wie lange war schon alles vorbei? Wie lange nur bin ich ohnmächtig gewesen? Es war inzwischen gewiss Mittag geworden – oder später!
    Bedrohlich türmten sich die rauchenden Trümmer. Unter der Asche war noch Glut. Ich spürte die Hitze durch meine Stiefelsohlen. Der Gestank war unerträglich.
    »Den da haben wir im Hof gefunden«, sagte einer der Büttel. »Ein unheimlicher Bursche! Sieht aus wie ein Dämon. Er will nicht reden.«
    Sambo! Er hockte am Boden und trug einen notdürftigen Verband um Kopf und Schenkel. Den hatte er wahrscheinlich selber angelegt, denn die Wachen hielten ihn mit achtungsvollem Abstand umzingelt, aber keiner von ihnen wagte es, ihn zu berühren.
    Als er Pietro und mich erkannte, stand er auf und kam uns schwankend entgegen. Wie sah er aus! Von oben bis unten versengt und zerschunden. Aber sein breites Grinsen hatte er nicht verloren. »Nicht so schlimm!«, behauptete er.
    »Auch ein Freund?«, fragte Herr Lennart mit resigniertem Unterton.
    »Freund und Lebensretter«, sagte ich.
    »Dann lasst ihn in Ruhe!«, befahl er seinen Leuten.
    »Und ein anderer liegt hier unter den Trümmern«, sagte einer der Büttel. »Es scheint, dass er noch lebt, aber wir kommen nicht an ihn heran. Dieser Balken …«
    Wie unter einem Bann trat ich näher und bemerkte eine Hand, einen Arm, einen Arm mit einer Narbe, die ich kannte!
    »Grifone!«
    »Grabt ihn aus!«, befahl Herr Lennart.
    »Leicht gesagt«, murrte der Büttel und ging mit seinem Trupp ohne rechte Überzeugung ans Werk. Sie hatten alle nicht mit Sambo und seiner Kraft gerechnet! Als er hörte, um wen es ging, rief er: »Lasst mich machen!«
    »Sambo«, rief ich. »Du bist verletzt!«
    »Ach was! Alles nur Kratzer!« Damit warf er sich auf die Arbeit. Holzstücke und Schindeln flogen nach links und rechts, so dass die Stadtsoldaten mürrisch beiseite traten. Dann lag der hölzerne Träger, der alles blockierte, frei. Auch der schreckte Sambo nicht.
    »Nehmt den Prügel da!«, rief er. »Und da, den Balken. Schiebt ihn drunter!« Die Büttel, die kaum zu wissen schienen, wie ihnen geschah, befolgten seine Anweisungen. Dreimal setzten sie an. Keuchend bot Sambo seine ganze Kraft auf. Auch die Soldaten wurden nun von seiner Entschlossenheit angesteckt. Und dann tat der Hebel seine Wirkung! Der Balken ächzte und hob sich weit genug. Ich stürzte mich unter die Last. Pietro und auch Herr Lennart beugten sich nieder und halfen mir, den Körper herauszuziehen. Mit zitternden Händen hob ich den Kopf meines Vaters. Was für ein Anblick! Ich wagte kaum hinzuschauen.
    Er ist tot, dachte ich. O Gott! Wer so zugerichtet ist, kann nicht leben!
    Das Haar mit Blut verkrustet, das Gesicht kaum zu erkennen, die Jacke vom Feuer versengt und der Arm in einem unmöglichen Winkel zum Körper. Und dennoch lebte er! Ein mühsamer Atemzug hob die Brust. Ich warf mich neben ihn und umfing das Haupt mit den Armen. Ob er diese Verletzungen wirklich überstehen konnte?
    »Ist er das?«, fragte Herr Lennart betreten.
    Ich nickte und spürte, wie meine Tränen liefen.
    »Du verlangst viel von mir!«, sagte er. »Es hätte wohl nicht viel gefehlt, dann wäre die ganze Stadt abgebrannt …«
    Ich hörte ihm gar nicht zu. Das alles erschien so unwichtig. Und eins schien

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