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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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damals …«
    »Ihr wolltet mich tatsächlich aus dem Weg räumen?«
    »Natürlich nicht! Du kennst mich inzwischen gut genug. Weiß Gott! Wenn ich dich hätte treffen wollen, ich hätte dich nicht verfehlt!«
    Er lehnte sich schwer atmend zurück. Ob er wieder Schmerzen hatte?
    »Und noch etwas anderes. Ich hatte damals begonnen, mir um dich Sorgen zu machen. Verstehst du? Es war mir nicht lieb, dass du dich ganz allein herumgetrieben und in all diese Gefahren begeben hast. Schließlich konnte ich nicht jedes Mal da sein, um dich herauszureißen!« Mit einem unterdrückten Stöhnen änderte er seine Haltung. »Also gut: Ich wollte nicht, dass dir etwas zustößt. Und ich dachte, ich könnte dich erschrecken, damit du der ganzenSache den Rücken kehren solltest – und am liebsten verschwinden. Das war es: Ich wünschte dich außer Gefahr und – ja, auch fort aus meinem Leben. Das gebe ich zu. Aber ich hätte nie daran gedacht, dir etwas anzutun. Das musst du mir glauben! Abschrecken, das war mein Ziel.« Er lachte leise. »Verstehst du? Damals habe ich dich noch nicht wirklich gekannt! Also dachte ich, man könne so leicht mit dir fertig werden. Heute wüsste ich es besser. Du bist genau so zäh wie ich.«
    Eine innere Stimme sagte mir, dass er die Wahrheit sprach, obwohl ich ihn nicht völlig verstand. Hol’s der Teufel! Er hatte es wieder geschafft: Ich wusste nicht, was ich denken sollte.
    Trotzdem blieb da immer noch etwas übrig, das ich nicht hinnehmen konnte. In das Schweigen hinein, das seinen letzten Worten gefolgt war, sagte ich: »Eines muss zwischen uns klar sein: Ihr solltet niemals versuchen, mich zu belügen!«
    »Das ist mir auch bei deiner Mutter nie gelungen«, murmelte er bissig.
    »Lenkt nicht ab! Da ist noch etwas, das Ihr aufklären müsst.«
    Was ich meinte, ging mir seit den Gesprächen jener Nacht durch den Kopf, und es beruhte mehr auf einem Gefühl als auf festen Gründen.
    »Ihr habt gewusst, dass Ahasver nicht tot war!«
    Schweigen.
    »Ihr habt es gewusst, nicht wahr? Es war eine abgekartete Sache!«
    »Ich wusste es. Ja!«
    »Und Ihr habt auch gewusst, dass er es war, der die Morde beging?«
    »Zuerst nicht. Er hatte mich nur zum Teil ins Vertrauen gezogen, verstehst du? Aber nach und nach bin ich dahinter gekommen. Obwohl: Manches schien dafür zu sprechen, dass Eglof seine Hand im Spiel hatte …«
    »Ihr habt doch mit dem Alten zusammengesteckt!«
    »Also gut. Du täuschst dich nicht. Nach dem Tod von Nabor wusste ich Bescheid.«
    »Und Ihr habt dem Mörder trotzdem die Stange gehalten?«
    »Eines sollte dir klar sein: Jeder von denen hatte es verdient.«
    »Das mag sein, doch es ist eine andere Sache …«
    »Stimmt. Aber ich konnte nicht anders …«
    »Warum nicht?«
    Er sah mich schweigend an, dann gab er sich einen Ruck und sagte: »Also gut. Ich konnte ihn nicht fallen lassen, aus eben demselben Grund, aus dem du niemals imstande sein wirst, dich gänzlich von mir abzuwenden. Er war mein Vater. Dein Großvater. Keiner von den anderen hat das gewusst.«
    Diese Eröffnung verschlug mir den Atem. Es war, als würde auf einem Spielbrett unerwartet eine zusätzliche Figur platziert, die einen neuen Bezugspunkt bildet und damit alle vorhandenen Setzungen umwertet. Ich hatte das Gefühl, dass mir alles Blut vom Herzen wegströmte.
    »Das ist nicht wahr!«, flüsterte ich. Aber zugleich wusste ich, dass er nicht log.
    Ich musste versuchen, mich an meine Erlebnisse mit dem Alten zu erinnern, um sie aus diesem neuen Blickwinkel zu sehen und dadurch vielleicht besser zu begreifen. Einzelne Bilder leuchteten auf: Ahasver bärbeißig, weil die Einnahmen im Hut zu gering waren; Ahasver lachend, als Pietro und Sambo aus dem Stegreif ein Witz gelungen war, der unserem Publikum gefiel; Ahasver verletzt und grübelnd, während das Netz sich um uns zusammenzog …
    Über all das würde ich nachdenken müssen. Aber dazu war jetzt nicht die Gelegenheit.
    »Hat er das gewusst?«, fragte ich tonlos. »Dass ich sein Enkelkind …«
    »Natürlich! Aber er hat nicht gewollt, dass du es erfuhrst. Heute sehe ich den Grund. Er wusste schließlich, was er zu tun gedachte, sobald er in Köln war. Deshalb, so glaube ich, wollte er für dich ein Fremder bleiben. Er hat viel von dir gehalten. Aber sein Rachedurst und seine Machtgier waren stärker als jede andere Regung. Vielleicht wollte er dich auch schützen – auf seine Art … Ich habe meinLebtag nicht viel von ihm gesehen, und er war immer ein Mensch,

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