Tanz der Dämonen
sie hinter uns her gewesen sind?«
»Weshalb? Du machst mir Spaß! Es waren Räuber. Sie haben geglaubt, es gäbe etwas zu holen.«
»Etwas zu holen? Bei uns?«
»Hast du eine andere Idee?«
»Nein, eben nicht. Aber ich verstehe so vieles nicht mehr. Weißtdu, was mit dem Alten los ist? Es ist, als hätte er den Verstand verloren …«
»Das hat er auch, der alte Bastard!«
»Denk einmal nicht an sie!«, forderte ich. »Und erklär mir, was das soll: Wir ziehen nach Köln, weil hier das Geschäft unseres Lebens winkt, und dann … dann verbietet er uns jeden Auftritt und beschwört uns, die Nase möglichst nicht vor die Tür zu stecken.«
»Und dann sein Hass auf Rosanna! Missgünstiger, seniler Bock!«
Von diesem Thema war er nicht abzubringen. Also gut. »Wie hat sie euch denn gerettet?«
»Wir lagen gefesselt im Keller. Die haben oben gezecht. Den Wirt haben sie davongejagt. Ahasver hatten sie nicht gefunden. Porco mondo! Er hat uns noch gar nicht gesagt, wie er sich davonmachen konnte. Sie haben herumgegrölt und sich gestritten. Ich glaube, ihr Anführer war gar nicht mehr dabei. Und da hat sie sich zu uns geschlichen und unsere Fesseln durchgeschnitten. So konnten wir fliehen. Verstehst du? Sie hat übrigens auch nach dir gefragt.«
Pause.
»Dann sind wir durch die Fassrutsche davon. Natürlich mussten wir sie mitnehmen. Hätten wir sie etwa da zurücklassen sollen?«
Ich spürte wieder diesen Stich. Pietro hatte ja Recht. Nur: Warum verteidigte er sich?
Wir schwiegen eine Weile.
»Siehst du die Wolke?«, fragte ich.
»Die große dunkle da rechts?«
»Ja, die.«
»Sieht aus wie eine Faust. Nein. Wie eine Katze.«
»Oder die da. Die hellere.«
»Wie ein Herz«, sagte er leise.
Wir hatten dieses Spiel oft gespielt. Aber jetzt ärgerte es mich, dass bei ihm alles nur noch auf das eine hinauslief.
»Eigentlich mag ich gar nicht, wenn Wolken wie etwas aussehen«, sagte ich. »Es gefällt mir besser, wenn sie einfach aussehen wie Wolken. Verstehst du?«
»Sie könnte uns von sehr viel Nutzen sein«, sagte Pietro. »Sie hat viele Talente.«
»Ich mag sie«, sagte ich. »Aber ihre Talente gehen vielleicht eher in eine Richtung, die du nicht sehen willst …«
Er fuhr auf wie ein Kampfhahn.
»Du bist wohl auch gegen sie?«, keuchte er. »Du bist ein Hundearsch! Du bist nur neidisch, weil sie mit mir gekommen ist! Eifersüchtig bist du! Diavolo! Geh doch zum Teufel! Geht alle zum Teufel!«
Er stürzte hinaus und polterte die Treppe hinab. Dabei rief er: »Du wirst sehen. Wenn sie wirklich geht, ist bestimmt ein Brief für mich da!«
Und ich schrie hinter ihm her: »Bist du sicher, dass sie schreiben kann?«
Sogleich schämte ich mich meiner Bosheit. Aber da war noch etwas anderes. Wie ein Gedanke, der nicht in Erscheinung trat, andererseits jedoch stetig an die Tür klopfte, um Einlass zu finden.
War es vielleicht das Wort »Brief«?
Brief!
Da wusste ich es: mein Brief. Der Brief von meinem Vater! Ich hatte ihn vergessen! Ganz überstürzt war ich aus dem Haus mit dem Löwen gerannt, und dabei hatte ich meinen Brief zurückgelassen!
Gar keine Frage: Ich musste ihn wiederhaben! Ich holte tief und verzweifelt Luft.
Da gab es nichts! Ich musste zurück in das Haus mit dem Löwen.
EDROHLICHE S CHATTEN
An diesem Abend: scharfer Wind und Wolkenfetzen. Ein Wirrwarr rauer, krächzender Schreie über meinem Kopf veranlasste mich, nach oben zu blicken. Am dämmrigen Himmel sammelte sich ein Krähenschwarm, schwarze, dämonische Vögel, die durcheinander flatterten und heftig stritten. Eine Schlacht über den Dächern! Der Anblick fesselte mich – und machte mich frösteln. Es beschlich mich das Gefühl, dass ich vielleicht zu kühn sei, allein in dieses düstere Haus zurückzukehren und meinen Brief zu verlangen. Welche Gefahren mochten auf mich warten? Niemand würde mich dort suchen, sollte mir etwas zustoßen. Schließlich hatte ich unsere Herberge verlassen, ohne dass eine Menschenseele davon wusste.
Hirngespinste! Was soll mir schon geschehen? Herr Arndt wird froh sein, wenn er mich wieder los ist. Schon beim ersten Mal hat mein Anblick ihn offensichtlich gepeinigt. Er soll mir den Brief geben, und damit gut.
Aus einem Fenster im Erdgeschoss war ich hinausgestiegen und hatte mich über die Gartenmauer davongemacht. Aber hätte Ahasver mir etwa erlaubt, nach meinem Willen zu gehen, wenn ich ihn gefragt hätte?
Ich schlug den Kragen hoch gegen den kalten Wind und ging
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