Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
Vom Netzwerk:
diesen dreien am wenigsten zu sagen hat.
    Vorsichtig ziehe ich mich weiter zurück. Keiner schaut zu mir herüber. Fast bin ich schon wieder in der Diele. Da kommt mir etwas in die Quere. Ein heftiges Gepolter bricht los. Ein Stuhl! Ein verflixter Stuhl, der im Wege gestanden hat. Sofort sind alle Augen auf mich gerichtet.
    »Wer da?« Jetzt ist es der Schwarze Hund, der das Wort ergreift. »Wen haben wir denn hier? Keine Bewegung!« Mit zwei, drei Schritten ist er über mir und hebt die Laterne. Mir stockt der Atem, nicht einmal schreien könnte ich jetzt. Ich bin wie gelähmt. Eine Waffe klirrt. Ist das mein Ende?
    Da spricht jemand hinter mir. Der Diener. Ich atme auf: Die drei weichen zurück, und der Schwarze Hund lässt von mir ab. Ein Zeuge, mit dem sie nicht gerechnet haben! Es scheint, als versuchten sie ihre Gedanken zu ordnen. Wer könnte ich sein? Was kann ich gesehen, was gehört haben?
    Der vornehm gekleidete Mann hat sich als Erster wieder in der Gewalt. »He, Junge«, sagt er harmlos, »was schleichst du hier herum?«
    »Äh … eine Botschaft …«, presse ich heraus. Dann erklingt die beruhigende Stimme des Dieners: »Keine Sorge, Ihr Herren, es hat seine Richtigkeit. Der Neffe der Köchin. Hat eine Nachricht gebracht,vom Metzger, für den Herrn. Sein Meister kann ja noch nicht wissen, dass der Herr, äh, verstorben ist. Nicht wahr? Ist auch ein bisschen blöde, der Junge. Versteht Ihr? Ein Tropf! Gott liebt die Toren.«
    Ich weiß bis heute nicht, weshalb er zu meinen Gunsten eingegriffen hat oder woher er die Geistesgegenwart genommen hat.
    »Auch wenn er ein Tor ist, weiß er hoffentlich, was er diesem Hause schuldig ist!«, sagt der vornehm gekleidete Mann. »Kein Gerede! Dieser Tod wird dazu führen, dass sich mancher den Mund zerreißt. Alles Unfug. Er ist am Schlag gestorben.« Und mit einem etwas drohenden Unterton fügt er hinzu: »Am besten vergisst du alles, was du hier gesehen oder gehört hast, Bürschchen. Misch dich nicht in Dinge, die dich nichts angehen. Verstanden?«
    Ich nicke kleinlaut. Der stechende Blick des Schwarzen Hundes lässt mich nicht los, es ist, als wolle er sagen: Dich habe ich schon einmal gesehen. Und es wird mir auch gleich einfallen, wo.
    Da aber hat der Diener bereits die Haustür aufgerissen und schiebt mich hinaus. »Nimm das und verschwinde!« Ich fühle etwas in der Hand. Ein gefaltetes Papier. Mein Brief!
    »Ich d-danke«, stottere ich und wende mich zur Seite. Dabei stoße ich gegen den Maskierten, der unbemerkt an mich herangetreten ist. Widerwärtig fühlt sich sein Körper an. Aufgequollen. Etwas Schwammiges ist an ihm. Und ein fauliger Geruch geht von ihm aus. Er keucht und taumelt zurück, erschrocken über die plötzliche Berührung. Diesen Augenblick nutze ich und stürze aus der Tür. Zum zweiten Mal an diesem Tag!
    Dabei begreife ich blitzartig, was ich gesehen habe, ehe ich das Tuch wieder auf den Leichnam fallen ließ. Ganz genau weiß ich plötzlich, was diese Einzelheit zu bedeuten hat: blutige Würgemale am Hals des Toten, nur allzu deutlich im Kerzenlicht!
    Vielleicht wäre ich wieder blindlings davongerannt, hätten mich nicht aus der Finsternis heraus zwei kräftige Arme gepackt und festgehalten. Ich vermochte nicht einmal zu schreien, geschweige denn, mich zu wehren. Dann erkannte ich, dass es Zunge war, und atmete auf.
    »Ist gut«, flüsterte dicht an meinem Ohr die beruhigende Stimme von Bär.
    Ich schluchzte so heftig wie ein Kind, das lange geweint hat, und schämte mich meiner Kopflosigkeit.
    »Hast du wenigstens, was du wolltest?«, fragte Bär.
    Ich nickte stumm.
    »Er hat es«, sagte Knaller.
    »War es schlimm?«
    »Der … Diener. Er hat mir geholfen. Weiß nicht, wieso … Sonst …«
    »Schon gut. Lass uns gehen. Hier wird wohl gleich der Teufel los sein.«
     
    Wir schlugen den Weg zum Heumarkt ein. Das war der große Platz, den wir am Vormittag überquert hatten. Wir benutzten Seitengassen. Zunge vorweg. Hinter mir Bär mit Knaller auf dem Rücken. Als ich wieder zu Atem gekommen war, berichtete ich, was ich erlebt hatte. Bär brummte vielsagend. Zunge und Knaller hörten kaum zu, sondern blickten sich immer wieder um.
    »Schweig jetzt lieber!«, sagte Bär.
    »Ja, halt den Mund«, bekräftigte Knaller. »Das ist besser.«
    Ihre Unruhe übertrug sich auf mich, und ich begann zu ahnen, dass die Aufregungen für diese Nacht noch längst nicht vorüber waren.
    »Es ist nicht mehr lang bis zur Sperrstunde«, erklärte Bär.

Weitere Kostenlose Bücher