Tanz der Dämonen
Stelle. Hört Ihr? Geht vor allem nicht da hinein!«
Er wies auf eine stattliche Tür zur Linken. Dabei schloss er hinter mir die Eingangstür und entfernte sich mit erstaunlich leichtem Schritt in Richtung Treppe. Ich blieb allein am Ende der großen Diele, in einem finsteren Durchgang, am Treppenschacht zum Keller. Es war fast gänzlich dunkel im Haus. Ich wartete und spürte wieder jenen muffigen Geruch, der mir schon beim ersten Besuch aufgefallen war. Ich lauschte auf die rätselhaften Geräusche, die in einem alten Haus lebendig sind: Holz ächzt, weil irgendwo im oberen Stockwerk jemand geht. Im Keller fällt ein Tropfen schwer in ein volles Wasserfass. Und dann dieses Wispern und Huschen – sind das Ratten?
Irgendwo erklangen Stimmen, weit entfernt, vermutlich jenseits der Diele. Er ließ mich lange stehen. Da kommen einem im Finstern krause Gedanken. Schließlich war ich so unruhig, dass ich es an diesem bedrängenden Ort nicht länger aushielt. Sachte begann ich umherzugehen. Ein paar Schritte in die Diele hinein. Jetzt war nirgends mehr ein Laut zu hören.
Da ist die Tür, vor der mich dieser seltsame Kauz gewarnt hat. Warum will er nicht, dass ich da hineinblicke? Vielleicht gibt es gerade dort etwas zu entdecken, was für mich wichtig ist? Es verlockt mich unwiderstehlich, die Klinke zu berühren. Ich muss etwas tun – oder davonlaufen. Ah, die Tür ist nicht verriegelt. Sie steht sogar einen Spalt offen. Die Angeln müssen gut geölt sein, denn sie gibt nach wie von selbst. Ohne einen Laut. Ehe ich mich recht versehe, bin ich schon über die Schwelle. Eine einzelne Kerze brennt in demRaum. Die Flamme zuckt im Luftstrom. Ihr Lichtschein fällt auf etwas Befremdliches, das auf einem wuchtigen Tisch liegt. Ein reglos ausgestreckter menschlicher Körper, unverkennbar. Ein Leichnam unter einem Tuch! Das erinnert fatal an das Fuhrwerk in Deutz! Hat man den Toten von der Straße, diesen Herrn Arckenberg, etwa hier aufgebahrt? Ein Schauder jagt über meine Haut. Dennoch trete ich widerstrebend näher. Ich kann nicht anders. Beim Kopf steht die Kerze. Etwas zwingt mich, das Tuch anzuheben, unter dem sich die Formen eines Gesichtes abzeichnen. Weiß ich nicht längst, was ich sehen werde? Ist es der Zwang, mir Gewissheit zu verschaffen? Es ist nicht Arckenberg, es ist Arndt!
Betroffen starre ich auf das erloschene Antlitz.
Seine Züge wirken seltsam widersprüchlich. Die Augen sind geschlossen, ruhig und entspannt – aber der Mund! Der Mund ist unheimlich verzerrt, ein erstarrtes Grinsen. Er spottet im Tode über mich! Und etwas anderes ist da, das ich im flackernden Licht erkenne, es prägt sich mir mit eisigem Schrecken ein. Doch ehe ich mir über diese Einzelheit Rechenschaft geben kann, höre ich erneut Stimmen, diesmal ganz nahe in meinem Rücken. Hastig lasse ich das Tuch fallen und ziehe mich möglichst geräuschlos zurück – in Richtung des Eingangs. Drei Männer treten vom Hof her in den Raum. Unter ihren Schritten ächzen die Dielen. Ich drücke mich seitwärts an die Wand. Auf halbem Weg zum großen Tisch bleiben sie stehen. Einer von ihnen trägt eine Laterne, die den Leichnam erhellt und etwas auch sie selbst, so dass ich die Gestalten gut genug betrachten kann. Einer, auffallend vornehm gekleidet, scheint das Wort zu führen. Er spricht mit gedämpfter Stimme, die aber zugleich etwas unangenehm Schneidendes hat. Sicher ein Mann in einer führenden Position. Vielleicht ein Offizier? Gewohnt, dass andere zuhören, wenn er spricht. Gewohnt, dass getan wird, was er befiehlt. Ich habe ihn noch nie gesehen. Er sagt: »Und deshalb kommt es nicht in Frage, dass irgendetwas anderes geredet wird. Ich möchte das nicht zweimal sagen müssen! Schließlich liegt es in Eurem eigenen Interesse!Und: Nichts anderes würde der Kaiser dulden! Also bleibt bei dem, was wir besprochen haben, oder schweigt! Habe ich mich deutlich ausgedrückt?«
Dann schiebt sich der zweite Mann ins Licht. Sein Anblick lässt mich erzittern. Er bewegt sich schwerfällig. Er trägt ein Tuch über dem Gesicht, eine Art dünner Kapuze über dem ganzen Kopf, in die zwei Augenlöcher geschnitten sind. Das muss der »Kerl mit der Maske« sein! Seine Worte klingen dumpf und zugleich zischelnd, so als spräche er ohne Lippen. Ich verstehe kein Wort.
Den dritten – er trägt die Laterne – kenne ich: Es ist der berüchtigte Schwarze Hund. Er schweigt, lässt seine Augen jedoch argwöhnisch umherwandern. Es scheint, dass er unter
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