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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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langsamer. Ich weigerte mich, mir einzugestehen, dass ich Angst hatte. Denn wenn man der Angst erst einmal die Tür aufgemacht hat, wird man sie nie wieder los.
    Leichter, als ich geglaubt hatte, fand ich meinen Weg. Schließlich erreichte ich die bekannte Gasse und – atmete auf, als ich an der Mauer, gegenüber dem Portal, zwei vertraute Gestalten entdeckte! Was für ein unverhofftes Glück: Bär und Zunge waren da und wärmten sich an einem kleinen Feuer.
    »Wer kommt denn da?«, fragte Bär. Er muss mich am Schritt erkannt haben.
    »Oh! Ich bin froh, euch zu sehen«, sagte ich, und das war, weiß Gott, keine Übertreibung.
    Die beiden grinsten.
    »Aber sagt mir, was tut ihr hier?«
    Ich erhielt auf diese Frage keine Antwort. Stattdessen sagte Bär: »Was tust du hier? Du willst doch nicht etwa noch einmal dort hinein?«
    »Ich bin gekommen, um meinen Brief zu holen. Ich habe ihn da drin vergessen. Den kann ich nicht zurücklassen. Er ist das Einzige, was ich von meinem Vater habe. Versteht ihr?«
    »Du hast dich ziemlich eilig davongemacht heute Morgen …«
    »Du weißt doch: Ich hatte Angst. Blöde, verrückte Angst. Und dann bin ich auf meine Freunde gestoßen.«
    »Es geht etwas vor in dem vertrackten Haus«, sagte Bär. »Ich weiß nicht was, aber es ist nichts Gutes. Du solltest da nicht wieder reingehen. Du hättest schon heute Morgen nicht hingehen sollen.«
    »Ich verstehe nicht, was du meinst. Ich habe mich nur ins Bockshorn jagen lassen. Es war dumm von mir.«
    »Wir haben die Tür ein wenig beobachtet. Vielleicht hilft es dir. Da sind Leute gekommen.«
    »Leute?«
    »Zum Beispiel ein vornehmer Herr, wie ich mir sagen ließ. Auch ein paar weniger vornehme Burschen. Keiner ist bisher wieder gegangen.«
    »Und die Büttel«, sagte eine Stimme dicht neben meinem Kopf. »Vergiss die beschissenen Büttel nicht!«
    Das war Knaller. Er hockte, ohne dass ich ihn bemerkt hatte, in einer dunklen Nische, einer halb zugemauerten Fensteröffnung, und stocherte mit einem Strohhalm in den Zähnen.
    Alle drei hatten also hier für mich Posten bezogen. Ich war gerührt.
    »Ja, die Büttel«, sagte Bär. »Aber die sind schon wieder weg.«
    »Stimmt«, räumte Knaller ein. »Aber nicht der Kerl mit der Maske.«
    »Ein Kerl mit Maske?« Meine Angst wuchs.
    »Von dem weiß ich nichts«, sagte Bär. »Davon hat mir keiner was gesagt. Eine Maske kann man nicht hören und nicht riechen.«
    »Wozu würdet ihr mich denn brauchen, wenn du immer alles schon weißt?«, kicherte Knaller. »Das ist der, der zuletzt gekommen ist.«
    »Der, den sie führen mussten?«, knurrte Bär. »Ich habe mich schon gewundert, was mit dem los ist.«
    »Der sieht merkwürdig aus«, erklärte Knaller. »Wie ich schon gesagt habe: Er hat ’ne Maske vor dem Gesicht. Oder – so was Ähnliches. Ein Tuch mit Löchern für die Augen. Zwei haben ihn geführt, und als es die Stufen hinaufging, haben sie ihn gestützt. Er ist noch nicht lange da. Seine Begleiter sind in der Kneipe da drüben. Vielleicht warten sie auf ihn.«
    Ich versuchte das unheimliche Gefühl zu unterdrücken, das diese rätselhafte Schilderung in mir auslöste.
    »Seid ihr deshalb hier?«, fragte ich. »Meinetwegen? Weil ihr aufpassen wollt?«
    »Sieh es mal so«, sagte Bär. »Wir hatten es einfach im Gefühl, dass du hier wieder auftauchen würdest. Nachdem du uns erst mal vergessen hast …«
    Ich habe seltsame Schutzengel, dachte ich. Welche, vor denen so mancher sich fürchten könnte. Aber ich bin dankbar, dass sie da sind.
    »Ich werde jetzt gehen«, sagte ich. »Das ist wie heute Morgen: Wenn ich es nicht beizeiten tue, weiß ich nicht, ob ich später noch den Mut aufbringe.«
    »Tu, was du tun musst«, knurrte Bär. »Aber pass auf dich auf!«
    Ich zuckte die Schultern, nahm mein Herz fest in die Hände, obwohl mir eher nach Davonlaufen zu Mute war, ging geradewegs zur Tür und betätigte den Klopfer.
    Es wurde fast im selben Augenblick geöffnet, und der Diener, der mich wohl sofort wiedererkannte, ließ mich überraschendbereitwillig ein. Es war überhaupt, als sei mit ihm eine völlige Änderung geschehen: Er wirkte geradezu heiter – wie einer, von dem eine Last abgefallen ist.
    Er hörte geduldig an, was ich zu sagen hatte.
    »Der Brief«, wiederholte er dann. »Ja, ja, ich erinnere mich, dass da etwas mit einem Brief war. Ich glaube, ich weiß sogar, wo er ist. Schweigt still und wartet hier, junger Herr, ich will ihn für Euch holen. Rührt Euch nicht von der

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