Tanz der Dämonen
weshalb?«
»Ich weiß nur, dass der Schwarze Hund hinter uns her ist. Eigentlich nur hinter Ahasver, unserem Anführer.«
»Es muss gewichtige Gründe geben. Was ist das für einer, dieser Ahasver?«
»Ich weiß es nicht, niemand weiß genau, was er von ihm zu halten hat. Er ist sehr grämlich neuerdings.«
»Hm. Entscheidend ist: Er hat offenbar was zu verbergen.«
»Aber was?«
»Das musst du herausfinden«, entgegnete Bär und fuhr fort: »Bist du schon einmal bedroht worden?«
»Nein.«
»Bist du sicher?«
»Ich glaube schon. Höchstens …«
»Ja?«
»Unklar erinnere ich mich an etwas. Eine Szene, die manchmal im Traum wiederkommt. Aber ich kann sie niemals genau fassen. Etwas Gewalttätiges … Ich muss noch sehr klein gewesen sein. Mehr weiß ich nicht.«
Knaller näselte: »Das sind die Raunächte – grad jetzt zu Dreikönigen. Da sind die Dämonen los, und jeder Traum hat was zu bedeuten.«
»Was hat dieser Arndt mit der ganzen Sache zu tun?«, fragte Bär unbeirrt.
»Keine Ahnung. Nur dass mein Vater diesen Brief über ihn geschrieben hat … Aber über meinen Vater weiß ich erst recht nichts.«
»Hast du Arndt noch einmal gesehen?«
»Seinen Leichnam habe ich gesehen …«
»Er ist tot?«
»Ermordet hat man ihn. Diese Würgemale an seinem Hals! Erst Herrn Arckenberg und nun ihn. Die Männer, die dort waren,wollen es vertuschen. Als Todesursache soll Herzschlag verbreitet werden.«
»Was waren das für Männer?«
»Der Schwarze Hund und zwei andere.« Ich beschrieb die beiden, den maskierten und den mit der herrischen Stimme.
»Rede bloß mit niemandem davon!«, knurrte Bär. »Ich werde drüber nachdenken. Und behalte diesen Ahasver im Auge!«
»Das werde ich.«
»Und pass auf dich auf! Du musst damit rechnen, dass sie euch bald dort aufstöbern, wo ihr jetzt wohnt. Wer auch immer die sind – sie werden nicht lange brauchen.«
»Daran habe ich auch schon gedacht.«
Schneller, als ich erwartet hatte, waren wir bei meiner Herberge angekommen. Zunge half mir über die Gartenmauer, und ohne langen Abschied waren die drei verschwunden. Nur Bär flüsterte noch: »Wenn du uns brauchst – du weißt ja, wie du uns findest.«
Das Fenster war noch angelehnt. Rasch drückte ich es auf und kletterte hinein. Im selben Augenblick packte mich eine kräftige Hand, ich fühlte ein kaltes Messer an der Kehle, und so wurde ich zu einer Kerze geschleift. Ich konnte keinen Laut hervorbringen. Dann eine Frauenstimme: »Ach, du meine Güte! Was für ein Fang! Nächtliche Abenteuer und dabei nichts als Haut und Knochen!«
Mutter Gluck ließ mich los und schob mich in die Küche. Das Feuer brannte. Sie kochte anscheinend bereits für den nächsten Morgen. Es roch nach Gerstengrütze.
Kopfschüttelnd nahm sie die Arbeit wieder auf. »Ich habe das offene Fenster gesehen, und da war ich natürlich gewarnt«, sagte sie. »Mit Einbrechern habe ich gerechnet. Nicht mit dir, du halbes Hähnchen. Ist das vielleicht ein mädchenhaftes Benehmen? Ach, wenn man schon solches Gesindel ins Haus lässt!«
Der Hals tat mir weh. Dennoch war mir nicht entgangen, was sie gesagt hatte.
Ich stammelte: »Ihr … Ihr wisst …?«
Sie kniff spöttisch die Augen zusammen. » Was weiß ich? Dassdu Küken dich nur als Gockel verkleidet hast? Freilich weiß ich das. Was glaubst du, wen du täuschen kannst? Vielleicht ein paar dumme Kerle. Das ist keine Kunst. Aber eine Frau, die Augen im Kopf hat? Das kannst du vergessen!«
Ich hätte gern geantwortet, dass es bisher ganz gut geklappt habe. Aber ich hielt es für klüger zu schweigen.
»Willst du was essen?«
Ja. Das wollte ich.
Zweiter Teil
RÄTSEL
IN REGNERISCHER M ORGEN
Dieser ganze Tag war voll Merkwürdigkeiten. Das begann damit, dass Pietro den Wunsch äußerte, die Messe im Dom zu besuchen. Ich hatte keine Ahnung, welchen Schritt ich als nächsten tun sollte. Ich wollte nur zu gerne Abstand von den Ereignissen der letzten Nacht finden – aber vielleicht war ich auch einfach nur neugierig. Jedenfalls erbot ich mich, Pietro zu begleiten. Ich war – allen Predigten von Vater Sebastian zum Trotz – nicht so regelmäßig in der Kirche, wie ich wohl hätte sein sollen. Pietro schon gar nicht. Heute weiß ich, was ich damals nicht durchschaute: dass er einen besonderen Grund hatte, zum Dom gehen zu wollen, einen Grund, über den er nicht mit mir sprechen wollte. Ich meinerseits erzählte ihm nichts von meinen Abenteuern in der Stadt, bezweifelte ich doch, dass er
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