Tanz der Engel
Er wollte etwas anderes. Sushi oder ein saftiges Steak. Ich zwang ihn, das Wasser zu behalten. Trinken war vorerst wichtiger als essen.
Mein kleiner Ausflug erschöpfte mich mehr, als ich mir eingestehen wollte, und ich war froh, als ich mich wieder auf der Matratze zusammenrollen konnte. Wie so oft ließ ich mich treiben, dachte an Christopher und meine Zeit mit ihm.
Wusste er, dass Aron mich gefangen hielt? Mit Sicherheit würde Aron es ihm nicht erzählen. Konnte ich es ihm sagen? Würde er es merken, wenn ich versuchte, ihn in meinen Träumen zu erreichen? Christopher war an mich gebunden. Er war mir aus dem Weg gegangen, als mein dämonisches Erbe erwachte – weil er es spüren konnte.
Ich schloss die Augen und rief mir Christophers Bild ins Gedächtnis. Er strahlte mich mit dunklen Smaragdaugen an, bis mir das Herz überlief. Bei ihm hatte ich alles gefunden, wonach ich immer gesucht hatte.
Mein Traum begann zu zerfließen. Ich zog ihn zurück, kämpfte um einen weiteren Blick, ein Lächeln oder ein Wort. Mein Kopf dröhnte vor Anstrengung, doch es gelang mir: Christopher kehrte um. Mit einem Lächeln auf den Lippen stand er am Ende einer alten Baumallee. Auf dem Grün seiner Augen lag ein grauer Schleier, aber die Wärme darin war echt.
»Lynn, komm zu mir.« Seine Worte ließen mein Herz höherschlagen – er wollte mich wiederhaben.
Der morastige Weg, der uns trennte, würde kein Hindernis sein. Doch jeder Schritt fiel mir schwer. Immer tiefer blieben meine Beine in dem schlammigen Sumpf stecken.
»Lynn, sieh mich an, dann findest du den Weg.«
Christophers verführerische Stimme trieb mich vorwärts. Schritt um Schritt kämpfte ich mich durch den Morast, bis ich vor ihm stand, hüfthoch mit Schlamm bedeckt.
»Lynn. Sieh mich an«, wiederholte er seine Bitte.
Mein Blick wanderte den athletischen Körper entlang, über seine verführerischen Lippen, bis zu seinen graugrünen Augen. Drängend redete er auf mich ein.
»Komm zu mir, Lynn.«
Ich streckte meine Hände nach ihm aus. Berührte sein Gesicht, seine Lippen und näherte mich ihnen. Mein heißer Atem streifte seinen Mund, während seine Augen sich in meine bohrten. Aber da war nichts. Keine Vertrautheit, keine Liebe. Das war nicht Christopher!
Mit aller Kraft stieß ich ihn von mir. Seine Augen blitzten auf und verwandelten sich zu kaltem Grau: Aron! Ich hätte wissen müssen, dass er nicht so schnell aufgeben würde.
Der Sumpf war noch da. Ich verstrickte mich in ihm, ruderte hektisch in dem vor Fäulnis stinkenden Schlamm. Er ließ mich nicht los und zog mich hinab in die dämmrige Tiefe.
Als ich die Augen aufschlug, entdeckte ich Aron, wie er gerade die Schutzmauer durchdrang.
»Ich hasse dich!«, grollte ich zornig.
Er blieb stehen. In seinen Augen lag Resignation – mit Widerstand hatte er anscheinend nicht gerechnet. Wenn er das nächste Mal die Schutzmauer passieren würde, wollte ich bereit sein, mit ihm hindurchzugehen – notfalls würde ich mich an ihn klammern und meine Krallen in seinen Rücken schlagen.
Ich verbarg mich in der dunklen Nische. Dort konnte Aron mich nicht sehen – aber ich ihn mit einem Sprung erreichen, um die Barriere zu überwinden, während er sie öffnete. Was danach kam, wusste ich nicht. Doch alles war besser, als in diesem verdammten Loch festzustecken.
Meine Beine begannen zu kribbeln. Aron kam sehr lange nicht. Vielleicht zehn oder zwanzig Stunden ließ er mich warten. Selbst das Zeitgefühl war mir in diesem vermoderten Verlies abhandengekommen.
Schließlich regte sich etwas. Ein leises Klicken durchbrach die Stille. Meine müden Beine erwachten, mein Körper spannte sich an. Alles in mir war in Alarmbereitschaft. Eine zweite Chance würde es nicht geben.
Die Schutzwand flackerte. Blauviolette Blitze, durchbrochen von irisierendem Licht. Mein Körper schnellte nach vorn wie der einer Raubkatze. Mit einem mächtigen Sprung überwand ich den Abstand und schlug meine Nägel in weiches Fleisch. Der Körper gab nach und ging in die Knie. Ich drückte meine Finger tiefer – die Macht, einen Engel zu bezwingen, berauschte mich. Aron hatte es verdient, zu leiden.
Seine Bestie kam mir zu Hilfe. Mit gefletschten Zähnen verbiss sie sich im Hals des Engels. Er wehrte sich nicht. Der Angriff überraschte ihn. Lautlos sackte er in sich zusammen.
Ich fühlte das warme Blut, das aus der Wunde sickerte. Sein süßer Geschmack trieb mich voran. Es war das Erste, das mir seit langer Zeit zwischen die
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