Tanz der Engel
aus den Ritzen. Mit eisigen Fingern umschlang sie mich und hüllte meinen Körper in ihr frostiges Kleid. Ich wehrte mich nicht gegen sie. Es war egal, was aus mir wurde. Ich hatte Christopher getötet – meine einzige Hoffnung.
Im Traum sah ich ihn. Mit prachtvoll leuchtenden Schwingen stand Christopher vor mir. Seine warmen Augen strahlten, als er mich sah. Ich kratzte sie ihm aus, stürzte mich auf seine Lippen und sog den letzten Atemzug aus ihm heraus.
Mein Schrei weckte mich. Blut tropfte von meinen scharfen Klauen – mein eigenes. Ich rammte sie wieder in meine Arme. Der Schmerz half mir zu vergessen, was ich war: ein Monster, der Inbegriff des Bösen. Nur der Tod konnte mich erlösen.
Als Aron mich ansprach, schreckte ich hoch. Mit erhobener Armbrust starrte er mich an. Würde er mich jetzt erschießen? War es so einfach, etwas wie mich zu töten?
Ich versuchte nicht, zu entkommen, und blieb reglos sitzen. Erst als ich die gebeugte Gestalt hinter ihm entdeckte, wich ich so weit wie möglich an die Wand zurück und versteckte meine Klauenhände in meinem Schoß.
Christophers Augen wirkten müde. Ich konnte seinem Blick nicht standhalten und verbarg mein Gesicht zwischen meinen Knien. Er sollte nicht merken, wie froh ich war, ihn noch einmal sehen zu dürfen. Er hatte mich geliebt, selbst dann noch, als er wusste, was in mir schlummerte. Hätte ich ihn nicht fortgeschickt, wäre er geblieben. Es war gut, dass ich Arons Rat befolgt hatte. Zu sehen, wie ich zu einer Bestie wurde, während ich Christopher mit sehnsuchtsvollen Augen anhimmelte, hätte ihm das Herz gebrochen. So sah er nur das todbringende Monster in mir, das sich auf ihn gestürzt hatte.
Die Nähe zu ihm erschütterte mich. Obwohl mein Kopf nochimmer zwischen meinen Knien steckte, wusste ich, dass Christopher nur eine Handbreit von mir entfernt war – sein allumfassender Geruch verriet ihn.
Er rief meinen Namen. Ich ignorierte ihn. Ihm noch einmal gegenüberstehen, die verlorene Liebe in seinen Augen sich widerspiegeln sehen, das konnte ich nicht. Mein Herz würde zerreißen, ohne dass ich den Schmerz vor ihm verbergen konnte.
Als seine Hand mich berührte, wich ich zurück. Christopher folgte mir, strich mit seinen Fingern meinen Arm entlang und hielt mich vorsichtig fest.
Mein Körper reagierte auf seine Berührung, sandte Glücksgefühle durch meine Adern, die ich nicht verdient hatte. Widerstrebend versuchte ich, seiner Hand zu entkommen. Doch es gab nichts, wohin ich fliehen konnte – in der Wand zu verschwinden, gelang mir nicht.
Ich schluchzte vor Hilflosigkeit, als Christopher mein Kinn umfasste und mich zwang, ihn anzusehen. Es klang wie ein Knurren, und ich sah, wie Aron seine Armbrust spannte. Auch Christopher spürte Arons Bereitschaft zu schießen und schob seinen Körper schützend vor meinen.
»Lynn.«
Ein einziges Wort weckte so viele Erinnerungen – mehr konnte ich nicht ertragen. Ich wand mich aus seinem Griff und schloss die Augen. Christopher ließ es nicht zu und umfasste mein Gesicht mit seinen warmen Händen.
»Bitte, sieh mich an.« Es lag so viel Verzweiflung in seiner Stimme, dass ich nicht anders konnte und meine Lider öffnete.
Leuchtendes Smaragdgrün zerfloss vor meinen Augen. Christopher sah in mich hinein wie durch ein offenes Fenster. Sein Blick berührte etwas in mir, das ich vergessen hatte: meine Seele. Er konnte sie sehen, trotz all der Dunkelheit, die sie umgab.
»Lynn, bitte komm zurück.«
Seine Stimme brachte meine Seele zum Schwingen, doch es reichte nicht, um mich zurückzuholen. Zu tief war ich mit der Finsternis verstrickt. Sie lenkte mich, beherrschte mein Handeln und machte mich zu dem Monster, das ich jetzt war.
Christophers Finger wanderte über mein Gesicht. Seine Berührung ließ mich erschaudern – und reizte den Dämon in mir, zurückzuschlagen. Meine Hände schossen nach oben und bohrten sich in Christophers Arme, um ihn aufzuhalten.
Er zuckte nicht zurück, obwohl ich den Schmerz fühlen konnte, der in ihm tobte. Unbeirrt wanderten seine Finger weiter, fuhren über die dunklen Schatten unter meinen Augen, strichen meine kalten Wangen entlang, bevor sie verharrten. Sein Blick wurde weich, berührte meine Seele, aber der Dämon in mir versperrte ihm den Weg. Er war nicht bereit, mich herzugeben.
Christophers Hände hielten mich fest, obwohl meine Klauen noch immer in seinen Muskeln steckten. Sanft strich er über meine Lippen, zog mein Gesicht zu sich, bis sein Atem mit
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