Tanz der seligen Geister (German Edition)
wenn sie höchstens dreiviertel voll war.
Die Füchse hatten alle Namen, die auf Blechschildern neben den Türen standen. Die Namen bekamen sie nicht bei der Geburt, sondern erst, wenn sie das Pelzen des ersten Jahres überlebt hatten und den Zuchttieren zugeteilt wurden. Die von meinem Vater getauften hatten Namen wie Prinz, Bob, Wally und Betty. Die von mir getauften hießen Stern oder Türke oder Maureen oder Diana. Laird nannte einen Maud nach einem Dienstmädchen, das wir hatten, als er klein war, einen anderen Harold nach einem Jungen in der Schule und noch einen Mexiko, warum, sagte er nicht.
Die Namensgebung machte sie nicht zu zahmen Haustieren. Niemand außer meinem Vater ging je in die Verschläge, und er holte sich von ihren Bissen zwei Mal eine Blutvergiftung. Wenn ich ihnen das Wasser brachte, trabten sie hin und her auf den Pfaden, die sie in ihren Verschlägen angelegt hatten, bellten selten –das hoben sie sich für die Nacht auf, dann konnten sie einen großen Chor gemeinschaftlicher Raserei zustande bringen –, beobachteten mich aber unablässig, ihre Augen brannten golden in ihren spitzen, bösartigen Gesichtern. Sie waren schön mit ihren schlanken Beinen, dem schweren, aristokratischen Schwanz und dem hellen Fell, das ihnen den Namen gab und auf dem Rücken dunkel gesprenkelt war, aber besonders schön waren ihre Gesichter mit der wunderbar klar gezeichneten Feindseligkeit und den goldenen Augen.
Außerdem half ich meinem Vater, wenn er das lange Gras mähte, das zusammen mit Gänsefuß und blühendem Moschuskraut zwischen den Verschlägen wuchs. Er schnitt es mit der Sense, und ich harkte es zusammen. Dann nahm er eine Heugabel und verteilte das frisch gemähte Gras auf den Verschlägen, damit es den Füchsen Kühle spendete und ihrem Fell Schatten, das sonst von zu viel Sonne braun wurde. Mein Vater redete nicht mit mir, außer es drehte sich um die Arbeit, die wir taten. Darin war er völlig anders als meine Mutter, die mir, wenn sie fröhlicher Stimmung war, alles Mögliche erzählte – den Namen des Hundes, den sie als kleines Mädchen gehabt hatte, die Namen der Jungen, mit denen sie später ausgegangen war, und wie einige ihrer Kleider ausgesehen hatten, wobei sie sich fragte, wo die wohl abgeblieben sein mochten. Was mein Vater an Gedanken und Geschichten hatte, dasbehielt er für sich, und ich war ihm gegenüber schüchtern und stellte ihm nie Fragen. Trotzdem arbeitete ich bereitwillig unter seinen Augen, auch mit einem Gefühl von Stolz. Einmal kam ein Vertreter für Futtermittel zu den Verschlägen, um mit ihm zu reden, und mein Vater sagte: »Möchte Ihnen gern meinen neuen Tagelöhner vorstellen.« Ich wandte mich ab und harkte heftig, rot im Gesicht vor Freude.
»Was Sie nicht sagen«, antwortete der Vertreter. »Ich dachte, es ist bloß ein Mädchen.«
Nachdem das Gras gemäht war, schien die Jahreszeit plötzlich weit fortgeschritten zu sein. Am spürbar früher heraufkommenden Abend ging ich über die Stoppeln, unter dem roten Himmel und in der beginnenden Stille des Herbstes. Wenn ich dann die Wassertonne durchs Tor schob und das Vorhängeschloss zudrückte, war es fast schon dunkel. Eines Abends um diese Zeit sah ich meine Mutter und meinen Vater auf der kleinen Bodenerhebung vor der Scheune stehen, die wir die Gangway nannten, und miteinander reden. Mein Vater war gerade aus dem Schlachthaus gekommen; er hatte seine steife, blutige Schürze um und hielt einen Eimer mit Fleischstücken in der Hand.
Es war ungewöhnlich, meine Mutter dort unten an der Scheune zu sehen. Sie kam nicht oft aus dem Haus, nur, wenn sie draußen etwas zu tun hatte – wie Wäsche aufhängen oder Kartoffeln im Garten ausgraben. Siesah fehl am Platz aus mit ihren bloßen, plumpen, von der Sonne unberührten Beinen und der Schürze, die vom abendlichen Abwasch über dem Bauch feucht war. Ihre Haare waren unter einem Tuch zusammengebunden, aus dem einzelne Strähnen drangen. So band sie ihre Haare jeden Morgen auf, sagte dabei, sie habe keine Zeit, sich richtig zu frisieren, und so blieben sie dann den ganzen Tag lang. Es stimmte; sie hatte wirklich keine Zeit. Zu dieser Jahreszeit häuften sich auf unserer hinteren Veranda Körbe mit Pfirsichen, Weintrauben und Birnen, in der Stadt gekauft, mit Zwiebeln, Tomaten und Gurken, zu Hause angepflanzt, die alle darauf warteten, zu Gelee, Marmelade, Chilisoße und Eingewecktem zu werden. In der Küche brannte den ganzen Tag lang der Herd, Gläser
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