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Tanz der seligen Geister (German Edition)

Tanz der seligen Geister (German Edition)

Titel: Tanz der seligen Geister (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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ein oder zwei Mädchen vorbei, die auch herumstanden, und ging zur Damentoilette. Ich versteckte mich in einer der Kabinen.
    Und da blieb ich. Zwischen den Tänzen kamen Mädchen herein und gingen rasch wieder. Es gab viele Kabinen; niemandem fiel auf, dass meine nicht nur vorübergehend besetzt war. Während der Tänze lauschte ich der Musik, die ich mochte, an der ich aber nicht mehr teilhatte. Denn ich war entschlossen, es nicht mehr zu versuchen. Ich wollte mich nur noch da drin verstecken, mich hinausschleichen, ohne dass jemand mich sah, und dann ab nach Hause.
    Einmal blieb nach dem Einsatz der Musik eine da. Sie ließ lange das Wasser laufen, wusch sich die Hände, kämmte sich. Sie musste es merkwürdig finden, dass ich so lange da drin blieb. Besser, ich ging hinaus und wusch mir die Hände, vielleicht ging sie währenddessen.
    Es war Mary Fortune. Ich kannte sie mit Namen, denn sie stand immer auf der Liste der besten Sportlerinnen sowie auf der Liste der besten Schülerinnen, und sie organisierte vieles. Sie hatte etwas mit der Organisation des Balls zu tun gehabt; sie war in alle Klassenzimmer gekommen und hatte nach Freiwilligen für die Ausschmückung gefragt. Sie ging in die elfte oder zwölfte Klasse.
    »Schön kühl hier drin«, sagte sie. »Ich bin hergekommen, um mich abzukühlen. Mir wird immer so heiß.«
    Sie kämmte sich immer noch, als ich mit meinen Händen fertig war. »Gefällt dir die Band?«, fragte sie.
    »Doch, ja.« Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Sie hatte mich überrascht, ein älteres Mädchen, das sich Zeit nahm, um mit mir zu reden.
    »Mir nicht. Ich kann sie nicht ausstehen. Ich kann nicht tanzen, wenn mir die Band nicht gefällt. Hör bloß mal. Die hacken doch nur. Da tanze ich lieber gar nicht.«
    Ich kämmte mich. Sie lehnte sich an ein Waschbecken und sah mir zu.
    »Ich will nicht tanzen und ich will auch nicht unbedingt hier drin bleiben. Los, wir gehen und rauchen eine Zigarette.«
    »Wo?«
    »Komm, ich zeig’s dir.«
    Am Ende der Toilette befand sich eine Tür. Sie war nicht abgeschlossen und führte in eine dunkle Kammer voller Mopps und Eimer. Ich musste die Tür aufhalten, damit das Toilettenlicht hereinfiel, bis sie den Knauf einer weiteren Tür gefunden hatte. Diese Tür führte ins Dunkel.
    »Ich kann kein Licht machen, sonst sieht uns jemand«, sagte sie. »Das ist der Raum des Hausmeisters.« Ich dachte, Sportler schienen immer mehr als wir Übrigen über das Schulgebäude zu wissen; sie wussten, wo Sachen aufbewahrt wurden, und sie kamen immer mit kühner, gedankenverlorener Miene aus verbotenen Türen. »Geh vorsichtig«, sagte sie. »Drüben am anderen Ende ist eine Treppe. Sie führt zu einer Kammer im ersten Stock. Die Tür oben ist abgeschlossen, aber es gibt eine Art Trennwand zwischen der Treppe und dem Raum. Also wenn wir uns auf die Stufen setzen und jemand kommt zufällig rein, dann sieht er uns nicht.«
    »Würde er nicht den Rauch riechen?«, fragte ich.
    »Ach was. Leben wir gefährlich!«
    Über der Treppe war ein hohes Fenster, das ein wenig Licht spendete. Mary Fortune hatte Zigaretten und Streichhölzer in ihrer Handtasche. Ich hatte bislang nur die Zigaretten geraucht, die Lonnie und ich uns selbst gedreht hatten, mit Blättchen und Tabak, gemopst von ihrem Vater; sie gingen immer in der Mitte auf. Diese waren wesentlich besser.
    »Der einzige Grund, warum ich heute Abend überhaupt gekommen bin«, sagte Mary Fortune, »ist, weil ich für die Dekoration verantwortlich bin und sehen wollte, wie sie sich macht, wenn erst mal alle da sind und so. Warum denn sonst? Ich bin nicht verrückt nach Jungs.«
    Im Licht des hohen Fensters sah ich ihr schmales, verächtliches Gesicht, ihre dunkle, von Akne narbige Haut, ihre dichten, ein wenig vorstehenden Vorderzähne, die sie erwachsen und herrisch aussehen ließen.
    »Die meisten Mädchen sind es. Ist dir das noch nicht aufgefallen? Die allergrößte Ansammlung von Mädchen, die verrückt nach Jungs sind, befindet sich genau in dieser Schule.«
    Ich war dankbar für ihre Aufmerksamkeit, ihre Gesellschaft und ihre Zigarette. Das sagte ich ihr auch.
    »Heute Nachmittag zum Beispiel. Heute Nachmittag hab ich versucht, sie dazu zu bringen, die Glocken und den Kram aufzuhängen. Sie steigen nur auf die Leitern und machen mit Jungs rum. Denen ist egal, ob die Dekoration je fertig wird. Die ist nur ein Vorwand. Mit Jungs rummachen, das ist ihr einziges Lebensziel. Für mich sind das dumme Puten.«
    Wir

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