Tanz der seligen Geister (German Edition)
redeten über die Lehrer und die Schule. Sie sagte, sie wollte Sportlehrerin werden und musste dafür aufs College, aber ihre Eltern hatten nicht genug Geld. Sie sagte, sie plante, das Geld für das Studium selbst zu verdienen, sie wollte ohnehin unabhängig sein, sie würde in der Cafeteria arbeiten und im Sommer auf dem Land, zum Beispiel als Tabakpflückerin. Während ich ihr zuhörte, merkte ich, dass die akute Phase meines Unglücks vorbeiging. Hier war eine, diedieselbe Niederlage wie ich erlitten hatte – das sah ich –, aber sie war voller Energie und Selbstachtung. Sie dachte daran, andere Dinge zu tun. Sie würde Tabak pflücken.
Wir blieben da, redeten und rauchten in der langen Musikpause, während die anderen draußen Doughnuts aßen und Kaffee tranken. Als die Musik wieder einsetzte, sagte Mary: »Hör mal, müssen wir uns noch weiter hier rumdrücken? Komm, wir holen unsere Mäntel und gehen. Wir können ins Lee’s rübergehen, eine heiße Schokolade trinken und gemütlich reden, warum nicht?«
Wir tasteten uns durch den Hausmeisterraum, mit Asche und Zigarettenstummeln in der Hand. In der Kammer blieben wir stehen und lauschten, um sicherzugehen, dass niemand in der Toilette war. Wir traten ans Licht und warfen die Asche ins Klo. Wir mussten quer über die Tanzfläche zur Garderobe, die sich neben der Ausgangstür befand.
Ein Tanz fing gerade an. »Wir gehen am Rand entlang«, sagte Mary. »Niemand wird uns bemerken.«
Ich folgte ihr. Ich sah niemanden an. Ich hielt nicht nach Lonnie Ausschau. Lonnie würde wahrscheinlich nicht mehr meine Freundin sein, jedenfalls nicht so wie vorher. Sie war nach Jungs verrückt, wie Mary sagen würde.
Ich merkte, dass ich nicht mehr solche Angst hatte, seit ich entschlossen war, den Ball zu verlassen. Ich wartete nicht mehr darauf, dass jemand mich aufforderte. Ich hatte meine eigenen Pläne. Ich brauchte nicht zu lächeln oder den Daumen zu drücken. Ich war auf dem Weg, um eine heiße Schokolade zu trinken, mit meiner Freundin.
Ein Junge sagte etwas zu mir. Er stand mir im Weg. Ich dachte, er weise mich darauf hin, dass ich etwas fallen gelassen hatte oder hier nicht entlangkonnte oder dass die Garderobe abgeschlossen war. Ich verstand nicht, dass er mich zum Tanzen aufforderte, bis er es wiederholte. Es war Raymond Bolting aus meiner Klasse, mit dem ich noch nie ein Wort gewechselt hatte. Er dachte, meine Antwort sei ja. Er legte mir die Hand um die Taille, und fast ohne Absicht begann ich zu tanzen.
Wir bewegten uns auf die Mitte zu. Ich tanzte. Meine Beine hatten vergessen zu zittern, und meine Hände hatten vergessen zu schwitzen. Ich tanzte mit einem Jungen, der mich aufgefordert hatte. Niemand hatte es ihm befohlen, er musste mich nicht auffordern, er hatte es einfach getan. War das möglich, konnte ich das glauben, hatte ich am Ende doch nichts an mir?
Ich dachte, ich müsste ihm sagen, dass es nicht stimmte, dass ich eigentlich gerade gehen wollte, um mit meiner Freundin eine heiße Schokolade zu trinken.Aber ich sagte nichts. Mein Gesicht nahm gewisse kleine Korrekturen vor und erreichte mühelos den ernsten, geistesabwesenden Ausdruck derer, die erwählt worden waren, derer, die tanzten. Das war das Gesicht, das Mary Fortune sah, als sie aus der Garderobentür herausschaute, mit dem Schal schon um den Kopf. Ich winkte schwach mit der Hand, die auf der Schulter des Jungen lag, zeigte an, dass ich mich entschuldigte, dass ich nicht wusste, was geschehen war, und auch, dass es keinen Zweck hatte, auf mich zu warten. Dann wandte ich den Kopf ab, und als ich mich wieder umschaute, war sie fort.
Raymond Bolting brachte mich nach Hause, und Harold Simons brachte Lonnie nach Hause. Wir gingen alle zusammen bis zu Lonnies Ecke. Die Jungen ereiferten sich über ein Hockeyspiel, ein Streit, dem Lonnie und ich nicht folgen konnten. Dann teilten wir uns in Paare auf, und Raymond setzte mit mir das Gespräch fort, das er mit Harold geführt hatte. Er schien nicht zu bemerken, dass er stattdessen jetzt mit mir redete. Ein oder zwei Mal sagte ich: »Also ich weiß nicht, ich hab das Spiel nicht gesehen«, aber nach einer Weile beschloss ich, nur noch »Hm-hm« von mir zu geben, und das schien alles zu sein, was erforderlich war.
Außerdem sagte er: »Mir war gar nicht klar, wie weit draußen du wohnst.« Und zog die Nase hoch. DieKälte brachte auch meine Nase ein wenig zum Laufen, und ich wühlte mich durch die Bonbonpapiere in meiner Manteltasche, bis
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