Tanz der seligen Geister (German Edition)
plötzlich bedrückt und nüchtern.
»Der Kartoffelsalat«, sagte sie. »Sülze und Zunge. Vergessen Sie nicht, die Brötchen aufzuwärmen. Haben Sie die Tomaten geschält? Schön … Ach, Alva, ich finde, diese Radieschen sehen nicht mehr zum Anbeißen aus, was meinen Sie? Besser, Sie schneiden sie in Scheiben, Jean hat sie immer zu Röschen geschnitten, so mit Blütenblättern, das sah sehr hübsch aus.«
Alva zerschnitt ungeschickt die Radieschen. Mrs. Gannett ging in der Küche umher, runzelte die Stirn und strich mit den Fingern über die blauen und korallenroten Küchenschränke. Sie trug die Haare zu einem Knoten hochgebunden, der ihren sehr dünnen, braunen und grobporigen Hals bloßstellte; mit ihrer tiefen Bräune sah sie sehnig und vertrocknet aus. Trotzdem beneidete Alva, die fast überhaupt nicht braun war, weil sie den heißen Teil des Tages im Haus verbrachte, und die mit siebzehn an den Beinen und um die Taille dicker war, als ihr gefiel, sie um diese braune und dürre Eleganz; Mrs. Gannett wirkte, als sei sie aus rein künstlichen und edleren Substanzen gemacht.
»Den Biskuitkuchen mit einem Faden schneiden, das wissen Sie ja, und ich sage Ihnen noch, wievielmal Sorbet und wievielmal Ahornmousse. Vanillepudding für Mr. Gannett, er steht im Kühlschrank … Es ist genug von beidem für Ihren eigenen Nachtisch da … Oh, Derek, du Scheusal!« Mrs. Gannett eilte auf die Terrasse, mit »Derek, Derek!«-Rufen im Tone schriller und glücklicher Empörung. Alva, die wusste, dass Derek Mr. Vance war, ein Börsenmakler, dachte gerade noch rechtzeitig daran, nicht über die Halbtür hinweg hinauszuspähen, um zu sehen, was geschah. Das war eines ihrer Probleme an den Sonntagen, wenn alle tranken und dann lockerer und ausgelassener wurden; sie musste sich immer wieder sagen, dass es ihr nicht gestattet war, auch ein wenig Lockerheit und Ausgelassenheit zu zeigen. Natürlich trank sie nicht, außer die Neige aus Gläsern, die in die Küche zurückgebracht wurden – und auch dann nur, wenn es Gin war, kalt und gesüßt.
Aber das Gefühl von Unwirklichkeit, von wechselnder Apathie und Ungehemmtheit, wurde im Haus gegen Mitte des Nachmittags sehr stark. Alva begegnete dann Gästen, die aus dem Badezimmer kamen, in sich gekehrt und melancholisch, sie sah Frauen, die in abgedunkelten Schlafzimmern auf ihr Abbild im Spiegel zuschwankten und sehr langsam Lippenstift auflegten, und auf dem langen Sofa im Herrenzimmer war jemand eingeschlafen. Inzwischen waren die Vorhänge an den Glaswänden im Wohnzimmer und im Esszimmer zugezogen worden, gegen die Hitze der Sonne;die langen, mit Teppichboden ausgelegten Räume mit ihren kühlen Farben schienen in einem Unterwasserlicht zu schwimmen. Alva fiel es bereits schwer, sich daran zu erinnern, dass die Zimmer zu Hause, diese winzigen Zimmer, derart viele Dinge enthalten konnten; hier gab es solche weiten, ungebrochenen Flächen, solche freien Räume – ein ganzer breiter, langer Flur, leer bis auf zwei hohe dänische Vasen am anderen Ende, der Teppichboden, die Wände und die Decke alle in verschiedenen Blautönen von Grau; Alva, die geräuschlos diesen Korridor hinunterging, wünschte sich einen Spiegel oder etwas zum Dagegenrennen; sie wusste nicht, ob sie da war oder nicht.
Bevor sie den Lunch auf die Terrasse trug, kämmte sie sich vor einem kleinen Spiegel am Ende der Anrichte die Haare und legte Locken um ihr Gesicht. Sie band die Schürze neu um und zog die breite Schleife sehr fest. Mehr konnte sie nicht tun; die Uniform hatte Jean gehört, und Alva hatte beim ersten Anprobieren gefragt, ob sie ihr nicht vielleicht zu groß war; aber Mrs. Gannett fand das nicht. Die Uniform war blau, passend zu dem Blau, das in der Küche vorherrschte; sie hatte weiße Bündchen und ein weißes Krägelchen, dazu eine mit Langetten verzierte Schürze. Alva musste auch Strümpfe tragen und weiße Absatzschuhe, die auf den Steinen der Terrasse klackerten – mit einem, im Gegensatz zu all den Sandalen und Pumps, schweren, zielgerichteten, ordinären Geräusch. Aber niemand sah sich nach ihr um, als sie Teller, Servietten und Tabletts mit Speisen auf einem langen, schmiedeeisernen Tisch anrichtete. Nur Mrs. Gannett kam und stellte alles um. Der Art, wie Alva die Dinge auf den Tisch stellte, schien immer etwas zu fehlen, obwohl sie auch da keine schweren Fehler beging.
Während alle aßen, aß auch sie zu Mittag, saß dabei am Küchentisch und blätterte in einer alten
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