Tanz der Sterne - Unter dem Weltenbaum 03
Axis denn kein Gewissen? War er denn so haltlos? Hatte er an jenem Abend überhaupt nicht an Faraday gedacht?
Die junge Frau fing an zu weinen. »Belial, Ihr wißt sicher besser als jeder andere, wie sehr es Axis schmerzen würde, wenn er wüßte, daß ein Kind von ihm aufwachsen müßte, ohne seine wahren Eltern zu kennen. Und natürlich ist mir bewußt, daß aus ihm und mir nichts werden
kann. Aber so lange der Krieger nicht zurückgekehrt und sein Kind nicht geboren ist, darf ich keine Entscheidungen fällen …«
Seine Augen wirkten leer, und er wandte den Blick ab.
»Wann ist es so weit?«
»Anfang des Rabenmonds im nächsten Jahr. Das Kind wurde zu Beltide empfangen. Am ersten Tag des Blumenmonds.« Sie blickte nach unten. »Es war doch nur das eine Mal.«
Der Leutnant lachte bitter. »Nur einmal? Mehr braucht er wohl nicht, was?«
Aschure nickte und spürte, daß Belial nicht so sehr ihr, als vielmehr seinem Freund zürnte. Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
Belial schüttelte ungläubig den Kopf.
»Wenn Axis’ Samen so fruchtbar ist, müßte halb Achar voll von seinen unehelichen Kindern sein. Aber warum Ihr, Aschure? Warum gerade Ihr?«
Er zog sie an sich, drückte sie und spürte, daß er sie heute zum letzten Mal halten würde. Mit Axis konnte er es nicht aufnehmen.
»Aschure, wenn Ihr nicht schwanger wärt, hättet Ihr mich dann genommen?«
Sie antwortete ohne Zögern: »Ja, und ich hätte mich geehrt gefühlt, von Euch erwählt worden zu sein.«
Lange Zeit standen sie schweigend so da und hörten, wie rings um sie die Festung erwachte.
Rivkah war schon eine Stunde auf, als Aschure zurückkehrte, um sich umzuziehen. Sie brauchte nur einen Blick auf ihr Gesicht zu werfen, um sofort zu wissen, daß etwas nicht stimmte.
»Aschure? Was ist geschehen?«
Die junge Frau brachte kein Wort über ihre Lippen. Dafür flossen ihre Tränen um so reichlicher. Rivkah lief sofort zu ihr, nahm sie in die Arme und wiegte sie, um sie zu beruhigen.
»Liebe Freundin, ich weiß, daß Ihr schwanger seid«, erklärte sie sanft und lächelte sie an, um sie aufzumuntern. »Mein erstes Enkelkind.«
»Belial hat gestern nacht um meine Hand angehalten. Aber ich habe nein gesagt. Ich kann das nicht, solange ich Axis’ Kind trage.«
»Aha.« Jetzt verstand Rivkah alles. Aschure hatte vor ihrem Sohn davonlaufen wollen, weil er ihr nur Schmerzen bringen würde. Und Belial hätte die perfekte Zuflucht für sie dargestellt. Aber sie war Axis offenbar nicht rasch genug entkommen. Und ihr Sohn würde keines seiner Kinder aufgeben; erst recht nicht, wenn es sich bei ihm um einen Zauberer handelte.
Sie führte Aschure zu ihrem Bett, setzte sich mit ihr hin und wartete geduldig, bis sie sich ausweint hatte. Wie der Leutnant fragte sich auch Rivkah, warum Axis bis heute keine Kinder in die Welt gesetzt hatte. An Frauen, die ihm zugetan waren, hatte es doch bestimmt nicht gemangelt. Aber Aschures Kind würde das erste sein.
Anders als Belial kannte Rivkah auch den Grund dafür. Männliche Zauberer – eigentlich alle männlichen Ikarier – hatten große Schwierigkeiten, Kinder zu zeugen. Wenn es ihnen dann doch einmal gelang, blieben sie nach Möglichkeit mit der betreffenden Frau zusammen, wollten sie genauso wenig gehen lassen wie das Kind. Vogelmenschen pflegten daher erst zu heiraten, wenn sich Nachwuchs ankündigte. Wenn ein Paar kinderlos blieb, kam es nur selten zu einer Vermählung. Nach einer Weile trennten die beiden sich einfach und versuchten ihr Glück bei einem neuen Partner. Sternenströmer war wohl so sehr von ihr begeistert und in sie verliebt gewesen, weil sie von ihm Kinder bekam. Mittlerweile war Rivkah für eine weitere Schwangerschaft zu alt geworden, und Sternenströmer, der noch den Großteil seines Lebens vor sich hatte, wollte sich lieber eine andere suchen, um weiteren Nachwuchs in die Welt setzen zu können. Die beiden Frauen hielten sich immer noch umschlungen. Nach nur einer Liebesnacht war Aschure von Axis schwanger geworden. Ganz gleich, wie sehr Faraday und ihr Sohn sich zueinander hingezogen fühlen mochten, Aschures Fruchtbarkeit band sie untrennbar an Axis. Hatte die junge Frau den richtigen Moment verpaßt? Ja, Aschure konnte sich jetzt im hintersten Winkel Tencendors verkriechen, Axis würde sie überall aufspüren. Er konnte gar nicht anders.
23 D ER R ING DER Z AUBERIN
Sie saßen in einem flachen Boot, mitten in einem violetten See. Über ihnen
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