Tanz der Sterne - Unter dem Weltenbaum 03
und war stets traurig gewesen, wenn sie sie nicht sehen, ihre Schritte nicht nahen oder ihre liebe Stimme nicht hören konnte, wenn sie beim Hausputz, bei der Gartenarbeit oder beim Kochen sang. Die junge Frau hatte früher immer geglaubt, ihre Mutter sei die schönste Frau auf der ganzen Welt. Als ihre Mutter dann eines Tages fortgegangen war, hatte sie das zutiefst verstört. Aschure hatte sich lange mit Schuldgefühlen gequält. War ihre Mutter weggelaufen, weil ihre Tochter sie nicht genug geliebt hatte? Weil sie ihre Tochter für ein böses Mädchen hielt?
»Warum, Mutter? Warum habt Ihr mich damals nicht mitgenommen? Ich habe Euch doch geliebt, Mutter, aus ganzem, tiefstem Herzen.«
Von all ihren Sünden erschien ihr die als die schwerste, daß sie sich nicht mehr an den Namen ihrer Mutter erinnern konnte. Dieser Verlust plagte sie schon seit zwanzig Jahren bei Tag und bei Nacht. Als größeres Mädchen hatte sie ihren Vater einmal nach dem Namen der Mutter gefragt, aber Hagen war sofort in Wut geraten und hatte sie furchtbar verprügelt. Von dem Tag an hatte Aschure nie mehr danach gefragt. Nicht nur ihre Mutter, sondern auch ihr Name war fort. Die junge Frau seufzte tief. Sie würde immer für ihr Kind da sein, und es sollte niemals Grund haben, ihren Namen zu vergessen.
Ihre Gedanken schweiften ab, und sie stellte sich vor, wie es wohl sein würde, wenn sie zum ersten Mal das Neugeborene in den Armen hielte. Oder wie es sich anfühlen würde, wenn ein kleines Kind einen wirklich liebte und einem tief vertraute; wenn es zu einem käme, um getröstet zu werden oder mit einem zu lachen … Axis’ Kind würde bestimmt etwas ganz Besonderes sein. Aschure lächelte still vor sich hin. Würde es seine goldenen Locken haben? Oder ihre schwarzen Haare? Wieviel von ihm würde ikarisch und wieviel menschlich sein?
Die junge Frau sah sich um und stellte fest, daß die Sonne bereits ein ganzes Stück über dem Horizont stand. Wenn sie sich nicht schleunigst auf den Rückweg machte, würde bald die ganze Garnison ausschwärmen und nach ihr suchen. Aschure sprang hoch und schnappte sich Belaguez’ Zügel. Der Hengst warf seinen Kopf erschreckt hoch.
»Mist«, murmelte sie mitfühlend, als sie auf den unruhigen Hengst stieg. Heute morgen würde Belaguez auf den gewohnten Ausritt den Paß hinunter verzichten müssen. Ob Belial wohl schon im Stall auf sie wartete?
Ja, dort stand er bereits.
Der Leutnant lächelte ihr zu und nahm ihr die Zügel ab. Aschure tat so, als sei sie ausschließlich mit dem Sattel des Tieres beschäftigt.
Als sie den Gurt löste, trat der jungen Mann hinter sie und strich ihr über den Nacken.
»Aschure, ich hoffe, Ihr habt mich letzte Nacht nicht falsch verstanden. Ich will Euch wirklich heiraten und nicht einfach eine Liebschaft mit Euch beginnen. Nicht bloß für eine Nacht will ich Euch, sondern für mein ganzes Leben!«
»Das weiß ich«, entgegnete die junge Frau tonlos.
Dann schloß sie die Augen, und er küßte sanft ihren Hals und ihre Wange. Als er die Arme um sie schloß, dachte sie, er wäre meinen Kindern ein guter Vater. Wie dumm meine Träume von einem Helden doch gewesen sind. Welche Frau könnte mehr verlangen als einen guten und verläßlichen Mann, der immer zu ihr hält?
»Und wie lautet Eure Antwort?« fragte er mit den Lippen an ihrem Haar.
»Belial …« Sie öffnete die Augen wieder, legte ihre Hände auf die seinen an ihrer Hüfte und zog sie sacht auf ihren Bauch. »Belial, ich bin schwanger … und deshalb kann ich Euren Antrag nicht annehmen.«
Sie spürte, wie sein Atem ins Stocken geriet und wie er litt. Nein, das hatte er nicht verdient.
»Axis«, brachte er gepreßt und wie aus weiter Ferne hervor. Aschure zögerte. Dann nickte sie. »Ja.«
»Liebt Ihr ihn?«
»Ja«, antwortete sie wieder.
Er riß sich von ihr los und schlug mit der Faust gegen die Stallwand. Belaguez sprang erschrocken zur Seite und legte die Ohren an.
»Verdammt! Verdammt! Verdammt!« zürnte der Leutnant. »Ich habe ihn noch nie, in meinem ganzen Leben noch nicht, um etwas beneidet. Bis jetzt nicht …«
Er fuhr zu ihr herum: »Aschure, ich liebe Euch, und ich will Euch, egal ob Ihr schwanger seid oder nicht. Egal ob Ihr Axis liebt oder nicht. Es ist Euch doch wohl bewußt, daß Eure Liebe hoffnungslos ist! Aber daß unsere Liebe in Erfüllung gehen kann!« Warum hatte der Krieger sich in der Beltidennacht nicht eine andere suchen können? Hatte
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