Tanz der Sterne - Unter dem Weltenbaum 03
Faraday, und ich habe bei einigen Gelegenheiten ein paar Worte mit ihr gewechselt.«
Gorgrael preßte die Seide an sich. »Und, begehrt Ihr sie?«
Der Dunkle lachte und klang ehrlich belustigt. »Viele sind ihr in Leidenschaft verfallen, mein Lieber, und es ist gut möglich, daß sie auch mich erregt. Aber das spielt keine Rolle. Wenn Ihr sie wollt, so werde ich Euch nicht im Wege stehen. Vergnügt Euch mit Ihr, wie immer es Euch beliebt.«
Die beiden schwiegen eine Weile, in der Gorgrael den Stoff betastete und der Dunkle in die Flammen starrte. Der Zerstörer hatte es schon lange aufgegeben, einen Blick auf das Gesicht dieses Mannes werfen zu können. So geschickt er es immer angestellt, so sehr er sich den Hals verrenkt hatte, niemals hatte er von dem Dunklen Mann, seinem Lieben Mann, mehr zu sehen bekommen als jetzt, von Kopf bis Fuß eingehüllt. Nicht einmal Gorgrael mit all seinen schwarzen Künsten konnte feststellen, was unter den Falten verborgen lag.
Seit seiner frühesten Kindheit hatte der Dunkle in seinem Leben eine Rolle gespielt. Die fünf Skrälinge, die ihm bei seiner grausigen Geburt auf die Welt geholfen hatten, hatten den Säugling in ihren Bau in der nördlichen Tundra gebracht. Dort hatten sie ihn gefüttert, bis er in der Lage war, selbst aus dem Loch zu kriechen und sich im Schnee auf die Jagd zu begeben. Zuerst hatte Gorgrael nur kleine Insekten fangen können. Dann schon die weißen Mäuse des nördlichen Ödlandes und bald darauf auch größere Tiere. Warmes und saftiges Fleisch, das seinem rasch wachsenden Körper Kraft gab. Tiere, die ihm auch noch die Felle zur Verfügung stellten, mit denen er sich nachts warmhielt. Die Skräbolde hatten ihn beschützt und ihn auch geliebt, aber das Leben unter diesen törichten Geisterwesen war ihm erbärmlich erschienen. Bis zu dem Tag, an dem er über ein Eisfeld gelaufen war und plötzlich diese verhüllte Gestalt auf ihn zukam. Zuerst hatte der kleine Gorgrael sich vor diesem großen und geheimnisvollen Mann gefürchtet. Aber der Dunkle nahm ihn auf den Arm und flüsterte ihm Worte zu, die ihn bald vor Vergnügen jauchzen ließen. Er fühlte sich in seinem starken Arm wohl. Der Fremde sang ihm Traumlieder und erfüllte ihn mit Zuversicht.
Niemand außer Gorgrael wußte von seinen Besuchen. Selbst die fünf Skräbolde, damals noch simple Skrälinge, die er erst später zu seinen Offizieren gemacht hatte, wußten nichts von der Existenz des Dunklen. Damals hatte ihn der Liebe Mann täglich besucht, sang ihm merkwürdige Lieder von Macht und Zauberei, lehrte ihn alles über seine Herkunft und Bestimmung und wies ihm den Pfad, den er in seinem späteren Leben beschreiten sollte. Der Kleine erwies sich als sehr guter Schüler. Er liebte und ehrte seinen Lehrer, fürchtete ihn aber auch. Schon sehr früh begriff Gorgrael, daß er den Dunklen besser nicht ärgerte.
Aber in all den Jahren hatte er nie herausgefunden, wer sich hinter der Kapuze verbarg. Wann immer er ihn fragte oder versuchte, zwischen die Falten zu spähen, lachte Lieber Mann nur und wich sowohl seinen Fragen als auch seinen Blicken aus. Der Dunkle kannte auch Axis, denn er erzählte Gorgrael schon sehr früh von seinem verhaßten Halbbruder und lehrte ihn auch die Prophezeiung des Zerstörers. Aber der Kleine erfuhr, daß sein Lehrer ein emsiges Leben im Verborgenen führte. Er bediente sich verschiedener Verkleidungen, um die zu täuschen, die ihn liebten. Gorgrael erkannte auch, daß der Dunkle sich bemerkenswert gut darauf verstand, andere zu seinen Werkzeugen zu machen. Manchmal fragte er sich, wie sehr er selbst von seinem Lehrer beeinflußt wurde.
Und er wußte, daß der Dunkle mit all seinem Tun einen bestimmten Zweck verfolgte. Doch worum es sich dabei handeln mochte, blieb ihm weitgehend unbekannt.
»Das war ihr Hochzeitskleid«, murmelte Gorgrael. »Timozels schlafender Geist hat es mir verraten. Lieber Mann«, er sah jetzt geradewegs zu der Gestalt am Kamin hin, »ich brauche zuverlässigere Offiziere als diese Skräbolde. Ich möchte Timozel als Leutnant haben, aber er ist ja Faraday verpflichtet. Könnt Ihr mir einen Rat geben?«
»Irgendwann wird er der Eure sein«, versicherte ihm der Dunkle. »Schon manches Band, das mit aller Festigkeit geschmiedet wurde, zerriß nach einiger Zeit. Und viele Schwüre, mit heißem Herzen gesprochen, wurden irgendwann bedeutungslos.«
»Werde ich auch Faraday bekommen?«
»Ihr habt die Prophezeiung gelesen. Damit kennt Ihr die
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