Tanz der Sterne - Unter dem Weltenbaum 03
bester Freund. Der Mann saß nah beim Feuer, um sich aufzuwärmen. »Das Opfer des Axtherrn hat sehr vielen Menschen das Leben gerettet, das von Bornheld eingeschlossen.«
Ohne sich von diesem Einwurf aus der Fassung bringen zu lassen, fuhr der junge Mönch schon fort: »Seit die Scharen des Gorgrael durch Ichtar ziehen, erhalten wir keine Nachrichten mehr aus dem Herzogtum. Wer vermag da schon zu sagen, ob Axis noch lebt oder schon vor sich hinmodert?« So wie vor ihnen schon Bornheld hatten sich auch Jayme und seine Berater nach den Berichten von Gorken widerstrebend überzeugen lassen müssen, daß man es hier nicht mit Unaussprechlichen, sondern mit Gorgrael, einem ganz entsetzlichen Feind, zu tun hatte.
Der Bruderführer lief immer noch hin und her. »Bei Artor nochmal, ich habe Axis nicht geliebt und wie mein eigenes Kind großgezogen, um ihn jetzt auf diese Weise zu verlieren. Wie oft habe ich ihn als Säugling gewiegt und in den Schlaf gesungen? Er hatte doch keine Eltern mehr!« »Besser er stürbe im Dienste Artors, als ihn an die Unaussprechlichen zu verlieren«, bemerkte der Eiferer Gilbert.
»Wie konnte Axis nur den Seneschall hintergehen – und damit auch mich?« rief Jayme gekränkt.
»Rivkah trägt die Schuld daran, weil sie sich mit einer von diesen Kreaturen ins Bett gelegt hat!« warf Gilbert ebenso laut ein. Der Herzog hatte ihnen einen sehr ausführlichen Bericht gegeben. »Frauen ist niemals zu trauen, sie sind eben das schwächere Geschlecht.«
»Gilbert! Genug jetzt!« Moryson erhob sich steif aus seinem Sessel, schwankte kurz und begab sich dann zu Jayme, um ihm mitfühlend einen Arm um die Schulter zu legen. »Beschimpfungen und Verdächtigungen helfen uns jetzt auch nicht weiter, junger Freund. Wir sollten uns lieber darüber klar werden, wie wir jetzt weiter vorgehen wollen.«
Der junge Bruder verzog verächtlich die Lippen. Alte Männer! Was der Seneschall wirklich dringend brauchte, war frisches Blut, um die Kirche wirksam davor zu schützen, daß die Unaussprechlichen eines Tages wieder in Achar einfallen würden. Artor bedurfte junger Männer, dachte Gilbert mit ausdrucksloser Miene, um seine Kirche zu retten, nicht aber alter Trottel, die lieber mit Worten als mit Waffen fochten.
»Dank dir, mein Freund«, murmelte Jayme und klopfte Moryson auf den Arm. »Es geht schon wieder. Aber für einen Moment überkam mich …«
Moryson nickte verständnisvoll und zog sich vom Bruderführer zurück. Als sie die Nachricht erhalten hatten, daß der Axtherr mit den Unaussprechlichen gemeinsame Sache gemacht habe, hatte Jayme einen Schlaganfall erlitten, der beinahe tödlich ausgegangen wäre. Ein Mann, der vom Seneschall mit einem solch hohen Amt bekleidet worden war, war ausgerechnet zu den Unaussprechlichen übergelaufen! Unglaublich! Axis hatte in seiner Stellung als Axtherr diese Völker mit Axt und Schwert zu vernichten, aber nicht sich mit ihnen zusammenzutun. Was Jayme aber vor allem und noch viel tiefer getroffen hatte, war der Umstand, daß er den elternlosen Säugling bei sich aufgenommen und ihn großgezogen hatte. Er hatte ihn geliebt, ernährt, versorgt und sicher auch etwas verwöhnt. Schließlich hatte der Bruderführer auch noch seinen Ziehsohn zum Axtherrn gemacht, zum General des militärischen Arms des Seneschalls und zum Oberbefehlshaber der Axtschwinger. Und zum Dank hatte der junge Mann nicht nur seinen Gott, sondern auch den Menschen betrogen, der sich dreißig Jahre mit Hingabe um ihn gekümmert hatte. Jayme litt sehr und spürte den Schmerz eines Vaters angesichts eines undankbaren Sohnes. Natürlich war er auch als Kirchenführer von Axis’ Verhalten tief enttäuscht, aber als Vater fühlte er sich mehr verletzt.
»Wir sollten davon ausgehen, daß der Axtherr noch lebt«, erklärte der Bruderführer jetzt, »und uns darauf vorbereiten, daß der schlimmste denkbare Fall eintritt: daß Axis nämlich zusammen mit seiner Truppe überlebt und sich mit ihr dem Kommando dieser … dieser Flugechsen unterstellt hat.« Während Jayme dies aussprach, fand er immer mehr zu sich selbst zurück, und als er fertig war, saß er kerzengerade da. Auch das alte Feuer war in seine Augen zurückgekehrt. Der Seneschall brauchte ihn, und er würde ihm mit aller Kraft zur Verfügung stehen. Wenn Axis der Kirche den Rücken gekehrt hatte, dann würde sie sich auch von ihm abwenden.
»Ich habe erfahren«, fuhr er mit neuer Entschlossenheit fort, »daß diese verwünschte Prophezeiung
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