Tanz der Sterne - Unter dem Weltenbaum 03
sich sehr rasch überall ausbreitet.«
Gilbert nickte. »Ganz recht. Die Soldaten des Herzogs, die uns mit den Meldungen aus dem Norden versorgt haben, haben auch überall von dieser teuflischen Prophezeiung erzählt – möge Artor sie verdammen! Sobald sie nämlich vor König Priam erschienen und ihm Bornhelds Worte übermittelt hatten, verzogen diese Elenden sich in die Schankhäuser der Stadt und unterhielten die Zecher mit Zitaten aus dieser angeblichen Weissagung.«
»Dann ist es wohl zu spät, die weitere Verbreitung dieser Prophezeiung aufzuhalten, ja?« wollte Jayme wissen.
»Ich fürchte ja, Bruderführer. Gerüchte fliegen bekanntlich rasch, und auf dieser ketzerischen Prophezeiung muß ein Fluch liegen. Denn jeder, der sie einmal gehört hat, erinnert sich ständig daran.«
»Und erst recht soll Artors Zorn diese beiden alten Brüder, Veremund und Ogden, treffen, weil sie auf die Weissagung gestoßen sind und sie Axis gezeigt haben!« Jayme geriet wieder in Rage. Er konnte es immer noch nicht fassen, daß die kleine Außenstelle der Bruderschaft im Wald der Schweigenden Frau den Geist der beiden so verwirrt haben sollte. Oder hatte das lange Einsiedlerdasein sie dazu getrieben, ihr Schriftstudium über die Unaussprechlichen zu mißbrauchen?
Die drei Männer in diesem Raum hatten noch nichts über die wahre Herkunft von Veremund und Ogden gehört und ahnten nicht einmal, daß es sich bei ihnen in Wahrheit um Unaussprechliche handelte, die lediglich die äußere Erscheinungsform dieser Brüder angenommen hatten.
»Der Axtherr war doch gar nicht darauf angewiesen, sich von diesen alten Zauseln in die Weissagung einführen zu lassen«, schimpfte der junge Frömmler. »Nach allem, was man hört, konnte er die verworfenen Schriften der Unaussprechlichen genauso leicht lesen wie unsereins die heiligen Worte Artors. Wenn ihr meine Meinung hören wollt, mir fällt es nicht schwer zu glauben, daß Axis von solchen verderbten und gottlosen Kreaturen abstammen soll. Wer sonst hätte sich denn so rasch in dieser wirren Prophezeiung zurechtfinden können. Der Betrug liegt ihm im Blut, Bruderführer, und das zwingt ihn dazu, dich und Artor, den wahren und einzigen Gott, wieder und wieder zu verraten!«
Der junge Mönch legte eine kleine Pause ein, um die Wirkung seiner Worte zu beobachten. »Axis’ Kapitulation vor den Mächten des Bösen mag vielleicht nicht einmal die schlimmste Heimsuchung für uns sein. Wer weiß, wie viele Verräter sich hier noch, in nächster Nähe, aufhalten.«
Jayme sah ihn streng an. Was hatte der junge Mann denn jetzt schon wieder in Erfahrung gebracht? In den letzten Monaten hatte der Kirchenfürst feststellen können, daß Gilbert die unterschiedlichsten Nachrichtenquellen anzuzapfen wußte. Für gewöhnlich war an seinen Andeutungen durchaus etwas dran. »Und?« knurrte Jayme schließlich, als der Mönch sich zu lange darin zu gefallen schien, mehr als die anderen zu wissen.
»Ich habe einiges über die neuesten Marotten Seiner Majestät erfahren.«
Bei Artor, dieser kleine Widerling mußte Leute kennen, die am Schlüsselloch von Priams Privatgemach lauschten. Ohne Zweifel wußte diese Schlange auch, wie oft der König seine Frau bestieg. Jayme pflegte so gut wie nie an solch weltliche Dinge zu denken; zu sehr hatte er alles abgelegt, was an seine einfache, bäuerliche Herkunft erinnerte. Daß er jetzt doch auf solche Einfälle kam, zeigte nur, unter welch enormer Anspannung er stand.
»Seine Majestät soll von der Prophezeiung überaus fasziniert sein«, fuhr Gilbert fort. »Er neigt angeblich bereits dazu, mehr der Weissagung zu glauben als dir, Bruderführer. Gerüchte wollen sogar wissen, daß der König insgeheim plane, Axis und dessen Sache seine Unterstützung zu gewähren. Daß er sogar, Artor bewahre, über ein Bündnis mit den Unaussprechlichen nachdenke, weil ihm das als einzige Möglichkeit erscheine, Gorgrael zu besiegen. Allein das beweist doch schon den sinnverwirrenden Charakter dieser Schriften!«
Jayme fluchte leise vor sich hin, wandte den Blick ab und starrte ins Feuer, um seine Fassung wiederzugewinnen. Selbst Moryson war von dieser Neuigkeit überrascht.
»Der Hoftratsch behauptet sogar«, erklärte Gilbert weiter, »Seine Majestät sei von Bornheld … ziemlich enttäuscht. Der König frage sich bereits, ob es wirklich eine weise Entscheidung gewesen sei, den Herzog zum Obersten Heerführer zu bestellen. Priam sei zu der Ansicht gelangt, daß der
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