Tanz der Sterne - Unter dem Weltenbaum 03
Staffeln verschiedene Ausweichmanöver einstudieren lassen, damit sie bei feindlichem Beschuß keine zu hohen Verluste erleiden. Aber jetzt will ich sie unter realistischeren Bedingungen ausbilden. Die Luftkämpfer sollen echten Pfeilen ausweichen. Wärt Ihr bereit, auf die Vogelmenschen zu schießen?«
Aschure sah ihn entgeistert an. »Das ist doch wohl nicht Euer Ernst!«
Seine Mundwinkel zuckten. »Vielleicht habe ich ja immer noch etwas vom Axtherrn in mir.«
»Aber ich weiß doch gar nicht, ob ich mit diesem Bogen absichtlich vorbeischießen kann. Auch käme es mir wie Betrug an dem Wolfen vor, wenn ich mit ihm nicht treffen wollte.«
»Dann umwickelt die Pfeilspitzen doch mit Stoff oder taucht sie in Wachs, damit sie stumpf werden. Davon bekommen die Vogelmenschen nur blaue Flecken, aber keine lebensgefährlichen Verletzungen.«
Die junge Frau fürchtete sich auch davor, die Anerkennung der Ikarier wieder zu verlieren, die sie gerade erst gewonnen hatte. »Und sie werden es mir nicht übelnehmen?«
»Höchstens mir. Ganz bestimmt sogar. Denn ich habe den Befehl dazu gegeben. Wollt Ihr mir also bei meinem Vorhaben helfen? Ihr könntet Euch auf dem Felsvorsprung postieren, von dem aus man auf den IskruelOzean hinausblicken kann. Wenn sie von der Landebahn im Norden des Turms starten, haben sie, sobald sie Euch erreichen, ihre ideale Flug- und Angriffshöhe erreicht.«
Aschure dachte nach. »Na ja, sie könnten ein solches Training sicher gebrauchen. Also gut, ich bin dabei, aber nur, wenn die Pfeilspitzen ausreichend stumpf gemacht werden können. Und natürlich nehme ich lieber gewöhnliche Pfeile. Dornfeder wäre sicher nicht erfreut, wenn seine schönen Federn in irgendwelchen Schluchten oder Abgründen verschwänden.«
Der Krieger nickte. »Gut. Dann berede ich das morgen mit Weitsicht und den anderen Geschwaderführern. Aber wir führen das Vorhaben nur durch, wenn sie der Ansicht sind, daß den Luftkämpfern dabei wenig Gefahr droht. Fein, dann geht jetzt zum Bogenschießen. Gut möglich, daß Ihr schon bald größere und schwierigere Ziele treffen müßt.«
Aschure sah ihn grimmig an. »Je eher ich auf einen Skräling zielen kann, desto besser.« Sie sehnte sich danach, den Schmerz zu lindern, den sie immer noch über Peases furchtbares Ende im Erdbaumhain empfand, wo die Skrälinge ihre Freundin in blutige Fetzen gerissen hatten. Damals war Aschure von dem Anblick so entsetzt gewesen, daß sie nur tatenlos danebenstehen konnte.
Der Krieger wurde ebenso ernst wie sie. »Euer erstes Ziel sind vielleicht keine Geisterwesen, Aschure.«
»Wie meint Ihr das?«
»Darüber reden wir, wenn die Zeit dazu gekommen ist. Jetzt muß ich gehen. Ich danke Euch nochmals für Eure Unterstützung vorhin und möchte Euch versichern, daß es mir wirklich leid tut, Euch so grob angefaßt zu haben. Ich bin froh, daß unsere Freundschaft an dieser kleinen Übung nicht zerbrochen ist, sondern zu wachsen scheint.«
Als Axis sich entfernen wollte, rief sie ihn zurück.
»Wartet!« Aschure kramte in der Tasche, die sie ständig mit sich führte, und zog ein Bündel dunkelgoldener Seide heraus.
Sie strich sanft über den Stoff, und als sie den Krieger dann ansah, wußte er nicht, was er von dem sonderbaren Ausdruck in ihren Augen halten sollte.
»Mir ist aufgefallen, daß Ihr unwillkürlich immer wieder die Hand an die Brust legt. An die Stelle, an der sich früher Euer Rangabzeichen befunden hat, die gekreuzten Äxte. Aber Ihr seid nicht länger der Axtherr, sondern Axis Sonnenflieger, Sohn der Prinzessin Rivkah und des Zauberers Sternenströmer. Der Erbe einer alten Zaubererfamilie und der Auserwählte der Prophezeiung. Deshalb braucht Ihr ein neues Zeichen, ein neues Banner, das Euch als Sternenmann ausweist.«
Sie schüttelte die Seide aus. »Rivkah hat mir diesen Stoff besorgt, und in den letzten Wochen habe ich in meiner knappen freien Zeit das hier für Euch genäht.«
Dem Krieger stockte der Atem, als die junge Frau den Stoff auseinanderfaltete. Ein goldenes Seidenhemd, der Stoff leicht aufgerauht, damit das Licht sich darin fing. An den Manschetten und am Kragen zeigten sich Buchstaben der alten ikarischen Schrift. Am meisten versetzte ihn aber das Emblem in Staunen, das Aschure auf die Brust des Hemds gestickt hatte: die flammende Sonne, das Wappen seiner Familie, doch nicht im gewohnten Hellgold, sondern in Blutrot.
Die junge Frau wirkte erleichtert, als sie die Begeisterung in seinen Augen sah. Sie war
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