Tanz der Sterne - Unter dem Weltenbaum 03
füreinander empfinden. Sternenströmer, wir sollten ganz offen sein.«
Seine Miene verhärtete sich, und er verengte die Augen zu Schlitzen. »Also gut, sagt, was Ihr zu sagen habt.«
Ein leichtes Zittern strafte Rivkahs äußere Ruhe Lügen.
»Uns beiden dürfte doch wohl klar sein, daß wir uns in den letzten Jahren immer weiter voneinander fort entwickelt haben. Wir hatten eine sehr stürmische Beziehung und haben uns von ganzem Herzen geliebt. Und wir beide haben für diese Leidenschaft und Zuneigung Opfer gebracht. Aber jetzt sollten wir der Tatsache ins Auge blicken, daß unsere Beziehung keine Grundlage mehr hat.«
»Rivkah –« Er streckte eine Hand nach ihr aus, aber sie wich vor ihm zurück.
»Nein, laßt mich erst ausreden. Ihr seid Ikarier und ich Mensch. Euch erwarten noch vierhundert Lebensjahre, während ich langsam alt werde. Ich möchte es nicht erleben, daß ich in Euren Augen nur noch Mitleid verdiene. Deswegen beende ich unsere Ehe, solange uns noch Achtung und vielleicht sogar etwas Liebe verbinden. Jetzt weiß ich auch, was der Fährmann damit meinte, als er sagte, wenn ich mich wieder Rivkah nennen würde, müßte ich dafür einen hohen Preis bezahlen. Goldfeder mag hierher gehört haben, Sternenströmer, aber Rivkah nicht. Nach Beltide werde ich nach Achar zurückkehren.«
»Rivkah!« Er streckte wieder die Hand nach ihr aus, und diesmal wehrte sie sich nicht dagegen. Lange standen die beiden nur so da und hielten sich fest. Sternenströmer strich ihr sanft über die goldene Strähne. Trotz ihres Entschlusses liebte sie ihn noch immer sehr. Deshalb wollte sie ja auch fortgehen und die Beziehung beenden, solange Sternenströmer ihre Ehe noch voller Zärtlichkeit im Gedächtnis behalten konnte.
Schließlich löste sie sich von ihm. »Laßt bitte nicht zu«, flüsterte Rivkah und freute sich über die Tränen in seinen Augen, »daß Eure Leidenschaft Aschure zerstört. Sie darf nicht das durchmachen müssen, was ich erlitten habe. Auch Aschure ist ein Mensch, und ich möchte nicht, daß sie in zwanzig oder dreißig Jahren genauso hier steht und ihre Ehe mit Euch beendet, weil Ihr wieder einmal einer Jüngeren schöne Augen macht. Laßt sie in Ruhe. Achtet sie dafür, Euch nicht nachgegeben zu haben. Sucht Euch lieber eine Ikarierin, die bis ans Ende Eurer Tage mit Euch Zusammensein kann.«
»Aschure trifft keine Schuld an dem, was sich eben ereignet hat«, versicherte er ihr, denn er wußte, wie nahe die beiden Frauen sich standen.
»Das weiß ich doch.« Rivkah zwang sich zu einem Lächeln, »und ich bewundere sie für ihre Stärke, Euch widerstanden zu haben. Wenn ich mich recht erinnere, reichte bei mir ein einziges Lächeln von Euch, um mich dahinschmelzen zu lassen. Ich mache Aschure bestimmt keinen Vorwurf … und Euch eigentlich auch nicht. Ich möchte, daß wir zu Rabenhorst gehen, damit er unsere Ehe formell aufhebt.« Wir müssen sofort zu ihm, dachte Rivkah, denn ich weiß nicht, ob ich später noch die Kraft dazu aufbringe.
»Was wollt Ihr denn jetzt tun?« fragte Sternenströmer. »Wohin wollt Ihr Euch wenden?«
»Ich kehre zu meinem Volk zurück und werde mich bei ihm niederlassen.«
11 »S EID I HR AUFRICHTIG ?« FRAGTE DIE B RÜCKE
»Seht Ihr?« forderte Jack sie auf und streckte seinen Arm aus. »Könnt Ihr es erkennen?«
Belial, Magariz und Arne drängten sich am westlichen Fenster des großen Kartenraums von Sigholt neben ihn. Ein Stück abseits saß Reinald behaglich am Feuer und trank gewürzten Wein.
»Früher einmal lag dort ein See«, fuhr der Wächter jetzt ein wenig ungeduldig fort, weil die drei die Stelle einfach nicht entdecken konnten. »Ein wunderschönes Gewässer. Vermögt Ihr es denn nicht zu sehen?«
»Doch, Jack«, sagte Belial schließlich und fragte sich, was das alles mit dem Umstand zu tun haben sollte, daß die Skrälinge offenbar Abstand zu Sigholt hielten. »Aber warum ist der See denn so wichtig?«
»Wenn der gute Schweinehirt uns denn unbedingt Unterricht in geographischen Kuriositäten erteilen will«, bemerkte Magariz, »dann sollten wir uns dafür wenigstens mit Wein stärken … ehe Reinald ihn ganz ausgetrunken hat.«
Der Leutnant hatte seine Streitmacht vor knapp vier Wochen in die Festung geführt. Verblüfft hatten er und der Fürst festgestellt, daß Sigholt sowohl verlassen als auch vollkommen intakt war. Bis auf Jack und den ehemaligen Koch hatte sich hier niemand aufgehalten. Reinald hatte den verwirrten
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