Tanz der Sterne - Unter dem Weltenbaum 03
gehört sich nicht. Abendlied ist für ihren Vater und ihren Bruder tabu. Vater und Tochter, Mutter und Sohn, Bruder und Schwester, das geht eben nicht. Aber bei allem anderen setzen wir uns keine Grenzen.«
»Ich werde Faraday heiraten«, verkündete Axis mit aller Entschlossenheit. »Sobald sie frei ist.«
»Sollte sie denn auch zu den Sonnenfliegern gehören?« fragte Morgenstern scheinheilig.
»Ihr wißt genau, daß sie keine von uns ist.«
»Dann erwartet Euch eine wenig glückliche Ehe. Euer Innerstes wird genau wie das von Sternenströmer oder Abendlied immer auf der Suche nach einem anderen Sonnenflieger sein. Vielleicht können sich Eure Kinder ja mit denen von Abendlied vermählen. Ich hoffe es jedenfalls für sie. Denn erst meine Urenkel werden wohl wieder das Glück erfahren.«
Wütend wandte sich Axis von ihr ab.
Die Reise durch die Alpen erwies sich als sehr angenehm. Rivkah war bislang stets nur allein aus den Bergen herabgestiegen, und jetzt konnte sie endlich die Schönheit und Pracht des Eisdachgebirges mit jemandem teilen. Außerdem befand sie sich in solch angenehmer Gesellschaft, daß sie die Reise genoß wie nie zuvor. Nach der Nacht der Großen Versammlung fühlte sich Rivkah von Tag zu Tag besser und froher. Axis vermutete, seine Mutter genieße es, endlich von der Last einer unglücklichen Ehe befreit zu sein, und das verschaffe ihr wieder Heiterkeit und innere Zufriedenheit.
Die Wege über die Alpen wanden sich träge durch Schluchten und Täler und vorbei an Eisfällen. Manchmal ging es steil hinauf, manchmal weniger steil. Doch überall erwartete sie eine atemberaubende Aussicht. Mal bekamen sie gewaltige Klippenwände aus einem glasartigen schwarzen Gestein zu sehen, dann wieder farngesäumte Flüsse, die tausend Meter unter ihnen dahinzogen, von Gletschern gespeist. Nachmittags, wenn es anfing, dunkler zu werden, und Nebel aufstiegen, führte Rivkah sie in kleine Höhlen, die sie während ihrer vielen Reisen die Berge hinauf oder hinunter entdeckt hatte. Hier befreiten die Wanderer sich von ihren schweren Rucksäcken, lachten und beklagten sich gleichzeitig und machten sich daran, das Nachtlager herzurichten.
Bei früheren Reisen hatte Rivkah stets für sich ausreichend Brennstoff, Nahrung und Decken mitschleppen müssen, um eine Woche lang allein im Hochgebirge zu überleben. In diesen Höhen fand sich keine Vegetation mehr. Man konnte weder Holz schlagen noch Wild jagen oder in Fallen fangen.
In jenen Zeiten hatte sie gefährliche Märsche erwartet, und jetzt wanderte sie zum ersten Mal mit einem richtigen Zauberer durch die Berge, mit einem der mächtigsten Magier seit Menschengedenken. Axis’ Fähigkeiten sorgten dafür, daß die Wege da trocken blieben, wo sie früher des öfteren ausgerutscht war. Er wies den Winden eine andere Richtung, die so manches Mal gedroht hatten, Rivkah von einem schmalen Pfad oder Steg zu werfen. Und ihr Sohn sorgte auch dafür, daß die Kälte sie nicht biß und sich alle einigermaßen wohl fühlen konnten. Abends erzeugte er Feuer, die grün, rot oder violett brannten, und versorgte sie mit federweichen Matratzen aus warmer Luft.
Abgesehen von diesen Annehmlichkeiten freute Rivkah sich natürlich auch darüber, ihren Sohn endlich einmal für sich allein zu haben. In den zurückliegenden Wochen und Monaten hatte Sternenströmer soviel von Axis’ Zeit beansprucht, daß seine Mutter viel zu wenig Gelegenheit fand, mit ihm zu reden. Und nun liefen sie oft nebeneinander her und konnten sich stundenlang über alles mögliche unterhalten. Was er mochte und was nicht, wie es ihm beim Seneschall ergangen war, über sein Leben als Axtherr, über gute und schlechte Zeiten.
Abends mußte Rivkah ihn zwar mit dem Rest der Reisegesellschaft teilen, aber das machte ihr nichts aus.
Wenn sie sich in eine Höhle begaben, die Rucksäcke von den schmerzenden Schultern genommen und den Boden von Geröll und Schutt befreit hatten, versorgte sie der Krieger mit einem lodernden Feuer, das die ganze Gesellschaft über Nacht wärmte. Danach sang er für die Höhlenwände ein Lied und strich sanft mit den Händen darüber. Wenn sich dann draußen die Dunkelheit über das Land senkte, gab der Fels ein mattes Glühen ab, das sich im Lauf der Nachtstunden immer mehr verstärkte.
Selbst für ihre Nahrung sorgte Magie. Doch das übernahm nicht Axis. Während er Licht und Wärme erzeugte, öffneten Veremund und und Ogden ihre viel leichteren Rucksäcke, kramten und
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