Tanz der Sterne - Unter dem Weltenbaum 03
Todesfurcht.
»Nein!« schrie sie dann noch einmal, doch jetzt schrill wie in Hysterie. »Bleibt weg! Nein! Laßt mich in Ruhe!«
Rivkah begab sich zu ihr und nahm sie in die Arme.
»Nein!« Die junge Frau wehrte sich wie in höchster Not gegen die Umarmung. »Geht weg! Bitte! Bitte, ich will es nicht schon wieder tun!« Sie atmete keuchend. »Das verspreche ich!« schrie Aschure noch.
Axis beugte sich vor, weil er glaubte, seine Mutter könne sie allein nicht mehr halten. Aber Aschure schien sich noch mehr vor ihm zu fürchten und hätte Rivkah beinahe mit sich gerissen, nur um von ihm fortzukommen. »Nein!« Der Krieger schien sie mit Panik zu erfüllen. »Vergebt mir!«
Veremund legte Aschure rasch eine Hand auf die Schulter. Sie hörte sofort auf, sich zu winden und zu wehren, aber es dauerte noch sehr lange, bis sie sich wieder völlig beruhigt hatte. Veremund tauschte einen besorgten Blick mit Ogden, bevor er sich an den Krieger wandte.
»Stellt die Frage lieber nicht noch einmal«, riet der Hagere. »Sie will nicht darüber reden. Aschure verkraftet die Erinnerung nicht.«
»Tut mir leid, Aschure, Euch soviel Pein bereitet zu haben«, sagte Axis und strich ihr sanft über die Wange. »Vergebt mir bitte, daß ich Euch zu nahe getreten bin. Ich werde Euch nicht wieder danach fragen.«
Eine leise Melodie erfüllte die Luft, Axis lehnte sich wieder zurück, und Rivkah ließ Aschure los.
»Was ist denn geschehen?« fragte sie und blickte verwirrt drein, als sie entdeckte, daß alle sie anstarrten. »Was war denn?«
Veremund sah Axis an und nickte zufrieden. Der Krieger hatte gut von Sternenströmer und Morgenstern gelernt. Dennoch gab es auch für ihn noch einiges Wissen, das er sich erwerben mußte. Erstens, fragt Aschure nie nach ihrem Rücken. Zweitens, findet ohne sie heraus, was geschehen ist. Denn dieses Wissen könnte der Schlüssel zu ihren dunklen Geheimnissen sein. Aber der Wächter gewann bei diesen Gedanken die wenig angenehme Vorstellung, daß diese Geheimnisse nur sehr behutsam aufgedeckt werden dürften. Andernfalls könnte die junge Frau dabei leicht ums Leben kommen – oder derjenige, der zu tief in ihr Inneres dringen wollte.
Aschure war die einzige, die in dieser Nacht tief und fest schlief. Axis hingegen lag noch lange wach und schaute ihr zu, wie sie ruhig atmete. Viele Gedanken gingen ihm durch den Kopf.
Vier Tage nach dem Aufbruch blieb Axis plötzlich unvermittelt auf dem Weg stehen. Sein Gesicht zeigte höchste Anspannung, doch plötzlich lächelte er, lachte dann laut und rief den Awaren zu sich.
»Ramu! Ich höre ihn. Ja, wirklich. Er singt wunderbar.«
Der Magier sah ihn lächelnd an. Obwohl er natürlich nicht hören konnte, was Axis gerade vernahm, wußte er doch, was dieser meinte – den Erdbaum und sein Lied. Das Lied, das die Skrälinge bei ihrem Angriff auf die Awaren und Ikarier vernichtet hatte. Und auch das Lied, das nun Awarinheim vor Gorgrael beschützte. Wenn Sternenströmer und Faraday nicht gewesen wären, würde der Erdbaum vielleicht jetzt noch schlafen. Dann hätten die Geisterkreaturen womöglich schon längst ganz Awarinheim in ihre Gewalt gebracht.
Zwei Tage danach hörte auch Ramu die leisen Töne, und noch zwei Tage später erging es Rivkah und Aschure ebenso.
Ogden und Veremund hatten das Lied zur selben Zeit wie Axis vernommen.
In der Nacht, bevor sie den Fuß der Eisdachalpen erreichten, nahmen die Reisenden einen wahren Festschmaus zu sich: Rebhühner mit einer Füllung aus Brotkrumen, Käse, Rosinen und Mandeln. Danach ruhten alle wohlig ermattet um das magische Feuer.
»Erzählt uns doch, wie Ihr Faraday mit der Mutter zusammengebracht habt«, bat Axis den Awaren. Nur ungern wandte er den Blick von Aschures Haar, das im Schein des Feuers sanft schimmerte. »Ich weiß so wenig über sie und möchte sie doch viel besser verstehen.«
Faradays besondere Beziehung zu der Mutter, dem Sinnbild für die Kräfte der Erde und der Natur, gehörte zu den großen Rätseln, die die junge Frau umgaben und die der Krieger nicht entschlüsseln konnte. Aber in der Feste Gorken hatten die beiden ja zu wenig Zeit für sich gefunden, in der sie miteinander hätten reden können.
Außerdem wollte Axis dringend, daß jemand über sie redete, und sei es nur, um sich selbst davon zu überzeugen, wie sehr er sie noch liebte. Früher hatte ihr Bild ihm stets so lebendig vor Augen gestanden, doch heute mußte er sich anstrengen, um sich an den genauen Farbton ihres
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